Neuroplastizität ist die Fähigkeit des Gehirns, sich ein Leben lang zu verändern und anzupassen – und zwar sowohl auf struktureller als auch auf funktionaler Ebene. Neurale Plastizität wird durch Faktoren wie Lernen, Erfahrung, Bewegung, Stress oder auch Krankheit beeinflusst. Im Umkehrschluss kann sie jedoch auch gezielt genutzt werden, um all diese Bereiche positiv zu beeinflussen. So hilft die Neuroplastizität unter anderem dabei:
- motorische Fähigkeiten oder auch den Verlust der Sprache nach einem Schlaganfall wiederzuerlangen
- Angststörungen, Depressionen oder Zwangsstörungen zu überwinden
- Neue Sprachen und Fähigkeiten bis hin hohe Alter zu erlernen
- Neue Fähigkeiten in ungewohnten Umgebungen zu erlangen, wie z.B. Bewegung in der Schwerelosigkeit
- Chronische Schmerzen zu lindern, indem durch spezielle Mentalübungen der Fokus von stark erregten Nervenstrukturen zu anderen umgeleitet wird.
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Neuroplastizität: die geheime Superpower unseres Gehirns
Neurale Plastizität bedeutet, dass sowohl Handlungen als auch Gedanken und Emotionen neuronales Wachstum und Umbauprozesse im Gehirn anregen. Verbindungen zwischen Synapsen entstehen, bereits vorhandene Synapsen werden verstärkt oder geschwächt und neue Nervenzellen (Neuronen) werden gebildet.
In der Psychotherapie sind diese Erkenntnisse von entscheidender Bedeutung, da dadurch neue Therapieansätze (wie z.B. die Bernhardt-Methode) entwickelt werden konnten, mit denen Angststörungen, Depressionen oder auch Zwangsstörungen deutlich schneller und nachhaltiger behandeln werden können. Doch wie genau funktioniert diese Superpower unseres Gehirns eigentlich?
Neuroplastizität einfach erklärt
Je öfter wir etwas denken und stärker die zugrundeliegenden Gefühle dabei sind, umso eher bilden sich Denk- und Verhaltensautomatismen aus – im Positiven wie im Negativen. Es entstehen regelrechte Datenautobahnen im Gehirn, die unser Verhalten und unsere Gefühle mehr und mehr steuern. Gedanken, die wir oft wiederholen, werden dabei immer präsenter, während der Zugang zu Gedankengut, mit dem man sich länger nicht beschäftigt hat, neuronal abgebaut wird.
Das ist auch der Grund, warum die meisten Erwachsenen von den Mathematikformeln, die Sie mal in der Schule gelernt haben, nicht mehr viel parat haben. Dieses Wissen wurde nach Ende der Schulzeit bis auf wenige Ausnahmen nicht weiter benötigt, weshalb der direkte synaptische Zugang mehr und mehr zurückgebildet wurde.
Wiederkehrende Muster prägen unser Verhalten
In Jahr 2000 wurde Prof. Dr. Eric Kandel für seine Entdeckungen rund um die Neuroplastizität mit dem Nobelpreis geehrt. Ihm ist es zu verdanken, dass wir heute genau wissen, wie die Signalübertragung in unserem Nervensystem funktioniert. Erfahrungen, die wir machen, regen synaptisches Wachstum an. Je stärker die Emotionen sind, die diesen Erfahrungen zu Grunde liegen (und zwar sowohl positiv als auch negativ), umso intensiver ist der biologische Speicherprozess. Aber auch die Häufigkeit, mit der wir bestimmte Handlungen oder Gedanken wiederholen, spielt eine Rolle bei der „Verdrahtung“ unseres Gehirns. Wiederkehrende Muster gepaart mit starken Emotionen schreiben somit buchstäblich das Drehbuch unseres Lebens. Sie entscheiden darüber, welche Eigenschaften und Fähigkeiten wir haben, wovor wir uns fürchten und ob es Ziele gibt, für die wir bereits sind, alles zu tun.
Ursprünglich wurde die synaptische Plastizität vom Psychologen Donald O. Hebb entdeckt. Er beschrieb bereits 1949 in seinem Buch „The Organization of Behavior“ die plastische Formbarkeit des Gehirns und entwickelte darauf basierend die „Hebbsche Lernregel“. Ihn war schon damals klar, dass unser Gehirn permanent versucht, Muster zu erkennen, um daraus Automationen zu bauen. Was es damit auf sich hat, lässt sich gut am Beispiel „Autofahren“ erklären:
Gehirn-Automationen am Beispiel Autofahren erklärt
Jemand, der schon seit Jahren regelmäßig Auto fährt, macht sich keine bewussten Gedanken mehr darüber, wann blinkt, schaltet, in den Rückspiegel schaut oder in welchem Gang er gerade fährt. All das, was einem Fahranfänger noch den Schweiß auf die Stirn treibt, erledigt ein erfahrener Autofahrer ganz automatisch und vollkommen unterbewusst. Er kann während der Fahrt seinen Gedanken nachhängen, das Radioprogramm verfolgen oder sich mit einem Mitfahrer unterhalten und bewegt sich dennoch souverän durch den Verkehr.
Das liegt daran, dass unser Gehirn permanent daran arbeitet, unseren bewussten Verstand so gut wie möglich zu entlasten. Wiederkehrende Bewegungsabläufe oder Gedanken werden deshalb, sobald unser Gehirn diese als Muster erkannt hat, vom Großhirn ins Kleinhirn verlagert und dort automatisch vom Unterbewusstsein ausgeführt, damit unser bewusster Verstand möglichst viel freien Arbeitsspeicher für neue, unbekannte Aufgaben zur Verfügung hat.
Neurale Plastizität in der Psychotherapie nutzen
Neuroplastizität an sich ist weder gut noch schlecht. Entscheidend ist vielmehr, in welche „Richtung“ sich unsere neuronalen Datenautobahnen, sprich unsere wiederkehrenden Denk- und Verhaltensmuster entwickelt haben. Bei Autofahren hilft uns die neurale Plastizität dabei, möglichst viel Gehirnkapazität für Momente frei zu haben, die unerwartet sind, z.B. wenn überraschend ein Hund über die Straße läuft.
Bei Menschen mit einer Angststörung sieht die Automation jedoch anders aus. Bei ihnen wurde vor allem die Fähigkeit, in „Worst-Case-Szenarien“ zu denken, gut neuronal ausgebaut. Was hingegen fehlt, ist die Fähigkeit, den positiven Ausgang eines Vorhabens intensiv zu visualisieren. Und genau hier setzen neue psychotherapeutische Verfahren wie die Bernhardt-Methode an. Mit Hilfe spezieller Mentaltechniken wird das Gehirn regelrecht umtrainiert. Mit viel Humor, psychotherapeutischem Storytelling und neuen Angst-Stopp-Techniken, wie z.B. der Pitching-Technik, werden zudem gezielt Angst-Muster im Gehirn unterbrochen, um neue neuronale Pfade in Richtung Leichtigkeit zu schaffen.
Gedankliche Umprogrammierung durch bewusstes Visualisieren
Ihr Gehirn vernetzt intensive Vorstellungen in der derselben Art und Weise, wie es auch echte Erfahrungen abspeichert. Deshalb ist auch keine traumatische Erfahrung nötig, um eine Angststörung zu entwickeln. Bereits das intensive, wiederholte Nachdenken darüber, was alles passieren könnte, reicht aus, um z.B. eine Agoraphobie, eine Emetophobie, eine soziale Phobie oder auch eine Panikstörung zu entwickeln.
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass man seine Neuroplastizität gezielt anregen kann, um mehr Leichtigkeit, Gelassenheit, Mut, Souveränität und ein positives Lebensgefühl zu empfinden. Am Institut für moderne Psychotherapie nutzt man dafür die 10-Satz-Methode, ein spezielles Mentaltraining, das einzig und allein darauf ausgerichtet ist, die Plastizität des Gehirns so zu nutzen, dass Angst-Automatismen auf neuronaler Ebene abgebaut werden.
Verstärkt wird der Prozess durch die 5-Kanal-Technik. Hierbei werden die unterschiedlichen Bereiche des Hirns, die für die 5 Sinne zuständig sind, getrennt voneinander angesprochen. Dadurch ist es möglich, bessere Denk- und Verhaltensmuster so im Kopf zu verankern, dass sie auch in Stresssituationen sicher abgerufen werden können.
Angstpatienten, die vielleicht schon seit Jahren versuchen, ihre Ängste in den Griff zu bekommen, können sich oft kaum vorstellen, dass es ganz ohne Konfrontationstherapie und nur mit Hilfe 10-Satz-Methode möglich sein soll, doch noch in ein angstsfreies Leben zurückzufinden. Doch zahlreiche Erfahrungsberichte ehemals Betroffener bestätigen die hohe Wirksamkeit dieses Therapieansatzes.
Erfahrungsberichte: Mit der 10-Satz-Methode endlich angstfrei
Hier finden Sie eine kleine Auswahl von Erfahrungsberichten, in denen Menschen beschreiben, wie sie ihren ganz persönlichen Weg aus der Angst gefunden haben:
Körperliche Aktivität fördert die Neuroplastizität
Bewegung ist ein Turbo für Neuroplastizität. Studien zeigen, dass regelmäßige körperliche Aktivität:
- Die Produktion von BDNF anregt, einem Protein, das wie Dünger für neue Nervenverbindungen wirkt
- Stresshormone reduziert
- Die Durchblutung des Gehirns verbessert
Keine Sorge, Sie müssen kein Marathonläufer werden, um von den positiven Effekten zu profitieren. Schon 30 Minuten zügiges Gehen an drei Tagen pro Woche kann Ihre Gehirnstruktur messbar verbessern.
Achtsamkeitsübungen: Neurale Plastizität liebt Achtsamkeit
Achtsamkeit ist wie Krafttraining für Ihren präfrontalen Kortex – den Teil Ihres Gehirns, der Ihre Emotionen reguliert. Besonders spannend: Studien zeigen, dass selbst kurze, aber regelmäßige Übungen ausreichen, um messbare Veränderungen im Gehirn hervorzurufen. In einer Untersuchung der Harvard Medical School konnten bereits acht Wochen Achtsamkeitstraining die Dichte der grauen Substanz in Hirnregionen erhöhen, die für Lernen, Gedächtnis und Emotionsregulation zuständig sind.
Achtsamkeitsübungen bereiten sinnbildlich den Acker vor, auf dem all die Keimlinge, die sie mit Hilfe der 10-Satz-Methode setzen, besonders schnell und gut gedeihen.
Neuroplastizität: Alles Wichtige in 30 Sekunden
- Neuroplastizität ist die Fähig unseres Gehirns, sich bis ins hohe Alter neue zu vernetzen
- Negatives Denken und traumatische Erfahrungen sorgen dafür, dass durch die neurale Plastizität im Gehirn Datenautobahnen entstehen, auf denen sich vor allem Ängste, Zwänge und Depressionen gut ausbreiten können.
- Die Neuroplastizität kann aber durch spezielle Mentaltechniken auch dazu genutzt werden, genau diese negativen Datenautobahnen wieder abzubauen.
- Wichtig ist jedoch, dass stattdessen bessere neuronale Netzwerke entstehen. Denn nur so kann verhindert werden, dass Betroffene in alte Denk- und Verhaltensmuster zurückfallen.
Disclaimer / Haftungsausschluss
Dieser Artikel soll Sie umfassend informieren und Ihnen neue Perspektiven eröffnen. Er ergänzt, aber ersetzt nicht die individuelle Diagnose oder Behandlung durch medizinisches Fachpersonal. Bei gesundheitlichen Fragen: Holen Sie sich professionelle Hilfe – und nutzen Sie unsere Tipps als kraftvolle Unterstützung.
Wissenschaftliche Studien zum Thema Neuroplastizität
- Kandel, E., Auf der Suche nach dem Gedächtnis. Die Entstehung einer neuen Wissenschaft des Geistes. Siedler, München 2006
- Bernhardt, K., Panikattacken und andere Angststörungen loswerden. Wie die Hirnforschung hilft, Angst und Panik für immer zu besiegen. Ariston, München 2017
- Bernhardt, K., Depression und Burnout loswerden. Wie seelische Tiefs entstehen und was Sie dagegen tun können, Ariston, München 2019
- Bernhardt, K., Zwänge und Zwangsgedanken loswerden. Zwangsstörungen ohne Medikamente und Konfrontation schnell und dauerhaft überwinden, München 2022
- Hebb, D., The Organization of Behavior. A neuropsychological theory. John Wiley & Sons, New York 1949
- Elisa Castaldi, E., Lunghi, C., Morrone, M. (2020), Neuroplasticity in adult human visual cortex, Neurosci Biobehav Rev, 2020 May:112:542-552.
- Kays, J., Hurley, R., Taber, K., (2012), The Dynamic Brain: Neuroplasticity and Mental Health, The Journal of Neuropsychiatry and Clinical Neurosciences, Volume 24, Number 2
- Oyovwi, M., Ogenma, U., Onyenweny, A., (2025), Exploring the impact of exercise-induced BDNF on neuroplasticity and neuropsychiatric conditions, Molecular Biology Reports, Volumen 52, article number 140.