Im Volksmund hört man oft: Ich stehe irgendwie neben mir? Wer kennt das Gefühl nicht, hin und wieder regelrecht von seinem Körper losgelöst zu sein? Keinen richtigen Zugang zu seinen Gefühlen zu haben und sich buchstäblich selbst von außen beim Leben zuzusehen, kann kurzfristig durchaus Vorteile haben. In der Psychologie nennt man das „dissoziiert sein“. Unsere Psyche hat sich diesen Trick im Lauf der Evolution ausgedacht, damit wir bei besonders traumatischen Erfahrungen nicht gleich panisch davonlaufen, sondern erstmal innehalten, um das Erlebte Stück für Stück zu verarbeiten.
Grundsätzlich ist so eine Reaktion der Psyche unter Stress nichts Krankhaftes. Wenn wir Schmerz erdulden müssen, es uns schlecht geht oder wir keinen Ausweg aus einer belastenden Situation sehen, dann kappt unser Unterbewusstsein kurzfristig den Zugang zu unseren Gefühlen. Dieser Schutzmechanismus bewahrt uns vor Überreaktionen, die wir später bereuen würden.
Depersonalisationsstörung: Wenn eine Schutzfunktion aus dem Ruder läuft
Steht man nicht nur ab und an neben sich, sondern wird die Selbstentfremdung zum Dauerzustand, spricht man von einer Depersonalisationsstörung. Die Ursachen für so eine Überreaktion der Psyche können vielfältig sein. Die gängigsten habe ich in einem eigenen Blogartikel für Sie zusammengefasst, der folgenden Titel trägt: Depersonalisation überwinden: Symptome, Ursachen und Behandlung.
Grundsätzlich gilt: Psychische Probleme lassen sich oft auf die gleiche Art überwinden, auf die sie auch entstanden sind. Wenn eine Depersonalisationsstörung dadurch entsteht, dass Betroffene zu häufig und zu lange dissoziiert waren, dann ist die erfolgversprechendste Anwendung jene, die einen wieder und wieder in einen assoziierten Zustand führt, also in das Gefühl, voll und ganz in seinem Körper zu sein. Und genau auf Basis dieses Gedankens haben wir am Institut für moderne Psychotherapie die Handschuh-Technik entwickelt. Sie ist nur eines von vielen Tools der Bernhardt-Methode, bei der neuste Erkenntnisse der Hirnforschung mit den effektivsten Ansätzen unterschiedlicher Therapieschulen kombiniert wurden. Aber vielleicht ist es ja genau das Tool, das Ihr Leben schon bald wieder leichter machen kann.
Die Handschuh-Technik: Mit Schwung zurück in ein assoziiertes Leben
So funktioniert die Handschuh-Technik: Wenn Sie das nächste Mal „neben sich stehen“ und der Zugang zu Ihren Gefühlen regelrecht abgeschnitten ist, dann begeben Sie sich nicht nur unterbewusst, sondern ganz bewusst mental in diese distanzierte Position. Nehmen wir mal an, Sie hätten das Gefühl, irgendwie über allem zu schweben und sich und Ihre Umgebung aus der Vogelperspektive zu betrachten. Dann war dieser Zustand bislang etwas, dass Ihr Gehirn automatisch, also ohne ihr bewusstes Zutun gemacht hat. Nun aber stellen Sie sich ganz gezielt vor, dass ihr zweites Ich da oben unter der Zimmerdecke schwebt und auf Sie herabblickt.
Sobald Sie in Gedanken so weit sind, dass Sie das Gefühl haben, wirklich da oben zu schweben, holen Sie einmal ganz tief Luft und fahren dann schnell, wie ein Geist, in sich selbst hinein. Fast so wie eine Hand, die blitzschnell in einen Handschuh schlüpft. Daher auch der Name „Handschuh-Technik“.
Und so, wie Sie auch bei einem Handschuh die Finger immer noch ein wenig hin und her bewegen und den Handschuh zurecht ruckeln müssen, bis er richtig sitzt, so machen Sie das jetzt auch mental. Und zwar so lange, bis Sie das Gefühl haben, dass ich Ihre körperliche Hülle (also quasi der Handschuh) und ihre geistiges ich (man könnte auch sagen Ihre Seele) wieder beide durch ein und dieselben Augen blicken.
Machen Sie dafür die Augen ganz bewusst ein wenig weiter auf als normal und blicken an sich herab. Fokussieren Sie zuerst auf Ihre Hände, dann auf Ihren Bauch und dann auf Ihre Füße spüren Sie nach, wie Ihr Inneres und Ihr Äußeres wieder viel mehr miteinander verbunden sind, als das noch vor wenigen Augenblicken der Fall war.
Wer die Handschuh-Technik gewissenhaft anwendet, wird feststellen, dass es möglich ist, sehr schnell wieder deutlich mehr Gefühle wahrzunehmen. Wie lange dieser positive Effekt anhält, hängt natürlich auch davon ab, wie lange Sie schon unter Depersonalisation oder auch Derealisation leiden. Doch selbst wenn der angenehme Effekt zuerst nur wenige Minuten anhalten sollte, haben Sie ja jederzeit die Möglichkeit, die Handschuh-Technik zu wiederholen. Da diese mit ein wenig Übung nur wenige Sekunden dauert, können Sie Ihr Gehirn bei Bedarf gerne alle paar Minuten daran erinnern, dass dieser distanzierte Gefühlszustand nicht länger erwünscht ist. Sie werden sehen, schon nach wenigen Wiederholungen wird die Zeit, in die Sie wieder vollen Zugang zu Ihren Gefühlen haben, immer länger und länger.
Vergessen Sie nie, dass unser Gehirn alles automatisiert, was wir wiederholt machen oder denken. Und so wie eine unbeabsichtigte Wiederholung dissoziativer Gemütszustände eine Depersonalisationsstörung auslösen konnte, so kann auch eine bewusste Übung, die sie wiederholt assoziiert, die Depersonalisation dauerhaft beenden.