Ohne Wartezeit auf Therapie

Zwei identische Frauen in Profilansicht blicken sich an, eine Metapher für Depersonalisation und das Gefühl der Entfremdung.

Depersonalisation überwinden: Symptome, Ursachen und Behandlung

Depersonalisation beschreibt ein tiefgreifendes Gefühl der Unwirklichkeit und Entfremdung vom eigenen Selbst. „Neben sich zu stehen“ oder „das eigene Leben von außen beobachten“ sind Beschreibungen, die Betroffene häufig wählen, um ihren Gefühlszustand zu verdeutlichen. Sowohl Depersonalisation als auch Derealisation sind dissoziative Störungen, die z.B. nach traumatischen Erfahrungen oder auch im Rahmen einer Angststörung auftreten können.

Als Angsttherapeut werde ich von Patienten häufig gefragt, ob es Selbsthilfe-Techniken gibt, mit denen man diese unwirklichen Gefühle stoppen kann. Die gibt es in der Tat und ich habe die wichtigsten davon weiter unten für sie zusammengefasst. Zudem haben meine Kollegen vom Institut für moderne Psychotherapie und ich eine weitere Selbsthilfe-Technik entwickelt, die auf neusten Erkenntnissen der Hirnforschung basiert. Da schon vielen Betroffenen es damit geschafft haben, ihre Depersonalisationsstörung oder auch eine Derealisationsstörung zu überwinden, erkläre ich Ihnen diese einfache Anwendung in einem eigenen Blogbeitrag mit dem Titel: Die Handschuh-Technik: So beenden Sie das Gefühl der Depersonalisation.

Was läuft bei Depersonalisation in unserem Körper ab?

Steht man nicht nur ab und an neben sich, sondern wird die Selbstentfremdung zum Dauerzustand, spricht man von einer Depersonalisationsstörung. Vereinzelt ist so eine Reaktion der Psyche unter Stress jedoch nichts Krankhaftes. Wenn wir Schmerz erdulden müssen, es uns schlecht geht oder wir keinen Ausweg aus einer belastenden Situation sehen, dann kappt unser Unterbewusstsein kurzfristig den Zugang zu unseren Gefühlen. Dieser Schutzmechanismus bewahrt uns vor Überreaktionen, die wir später vielleicht bereuen würden. Statt kopflos in blinden Aktionismus zu verfallen, verlassen wir in solchen Momenten mental unserem Körper, um uns selbst mit etwas Abstand beim Leben zuzuschauen. Unser Gehirn reagiert, obwohl diese Distanzierung nur ein Produkt unseres Geistes ist, mit echten biochemischen Prozessen und drosselt unser gesamtes Gefühlsempfinden. Bei Schmerz und Trauer kann das sehr hilfreich sein. Wird die Depersonalisation jedoch zum Dauerzustand, wird leider auch der Zugang zu all den positiven Gefühlen wie Freude, Liebe oder Hoffnung gekappt. Dieses Phänomen lässt sich häufig auch bei Angstpatienten beobachten, die Antidepressiva einnehmen. Hält dieser Zustand zu lange an, kann dies sogar zur Entstehung einer Depression führen.

Depersonalisation: Die häufigsten Symptome im Überblick

Die Erfahrung der Depersonalisation kann sich auf verschiedene Weisen zeigen:

  • Sie fühlen sich von Ihren Gedanken, Gefühlen oder Ihrem Körper seltsam distanziert, als gehörten sie nicht wirklich zu Ihnen
  • Ihre Umgebung erscheint unwirklich, verzerrt oder irgendwie „falsch“, obwohl Sie rational wissen, dass alles normal ist. Hier grenzt die Depersonalisationsstörung an die Derealisationsstörung
  • Sie haben das Gefühl, neben sich zu stehen oder sich selbst von außen zu beobachten
  • Ihre Wahrnehmung wirkt gedämpft, abgeflacht oder wie durch einen dichten Nebel gefiltert
  • Sie spüren eine emotionale Taubheit oder innere Leere, selbst in Situationen, die normalerweise starke Gefühle auslösen würden
  • Ihre Stimme klingt fremd in Ihren Ohren, als würde jemand anderes sprechen
  • Ihre Hände oder andere Körperteile erscheinen Ihnen fremd oder verändert
  • Sie haben Schwierigkeiten, sich auf Gespräche oder Aufgaben zu konzentrieren, weil Sie ständig von diesem Gefühl der Unwirklichkeit abgelenkt werden
  • Sie haben das Gefühl über sich zu schweben und sich selbst so alles um sich herum aus der Vogelperspektive zu sehen

Diese Symptome können beängstigend sein, sind aber an sich nicht gefährlich. Sie sind vielmehr ein Schutzmechanismus Ihres Gehirns, der in bestimmten Situationen aktiviert wird.

Derealisation – der nahe Verwandte der Depersonalisation

Eng mit der Depersonalisation verbunden ist die Derealisation – ein Zustand, bei dem nicht das eigene Selbst, sondern die Umgebung unwirklich erscheint. Viele Menschen erleben beide Phänomene gleichzeitig. Bei der Derealisation können folgende Erfahrungen auftreten:

  • Die Umgebung erscheint fremd oder unwirklich, wie in einem Film oder Traum
  • Farben wirken flacher oder intensiver als gewöhnlich
  • Objekte erscheinen in ihrer Form oder Größe verändert
  • Die Welt um Sie herum wirkt leblos oder künstlich
  • Entfernungen und Proportionen erscheinen verzerrt

Beide Phänomene – Depersonalisation und Derealisation – fallen unter die Kategorie der dissoziativen Symptome und haben oft gemeinsame Ursachen.

Ein Mann mit Speer stellt sich in einer dunklen Höhle einem angreifenden Tiger entgegen. Szene veranschaulicht Stressreaktionen, insbesondere den Flucht- oder Kampfmodus, der durch Adrenalin ausgelöst wird.

Ursachen von Depersonalisation verstehen

Die Ursachen für Depersonalisationserfahrungen sind vielfältig und oft zusammenhängend. Ihr Verständnis bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Behandlung.

Stress und Angst als Hauptauslöser

Übermäßiger Stress aktiviert in Ihrem Gehirn den Kampf-oder-Flucht-Reflex. In diesem Zustand erhöhter Alarmbereitschaft versucht Ihr Sympathikus Sie zu schützen, indem er Ihre Wahrnehmung verändert. Es ist, als würde Ihr Gehirn einen Schutzschild errichten, der emotionale Überlastung abfedern soll.

Diese Schutzfunktion hat stammesgeschichtliche Wurzeln: Wurden unsere Vorfahren von einem Säbelzahntiger bedroht, war es gut, vor lauter Angst nicht in eine Schockstarre zu verfallen. Um für Kampf oder Flucht einen kühlen Kopf zu bewahren, ermöglichte die Depersonalisation eine kurzzeitige Distanzierung von den eigenen Emotionen. Auch heute greift dieser Schutzmechanismus noch, jedoch längst nicht mehr nur in lebensbedrohlichen Situationen, sondern auch bei emotionalen Belastungen oder anhaltenden Stressfaktoren wie chronischem Stress, Prüfungsangst oder sozialen Konflikten.

Traumatische Erfahrungen und ihr Einfluss

Traumatische Erlebnisse – einmalige Schockerlebnisse ebenso wie langanhaltende belastende Situationen – können eine Depersonalisation auslösen oder begünstigen. Ihr Gehirn erschafft dabei eine Art Puffer zwischen Ihnen und den überwältigenden Emotionen, die mit dem Trauma verbunden sind.

Bei Kindheitstraumata, emotionaler Vernachlässigung oder Missbrauchserfahrungen kann Dissoziation (zu der auch die Depersonalisation zählt) zu einer gewohnheitsmäßigen Reaktion werden. Was ursprünglich als Schutzmechanismus begann, kann sich zu einem automatisierten Muster entwickeln, das auch in weniger bedrohlichen Situationen aktiviert wird.

Neurologische und biochemische Faktoren

Veränderungen im Gehirn, besonders in Bereichen, die für Körperwahrnehmung und Selbstempfinden zuständig sind, können zu Depersonalisationssymptomen führen. Der präfrontale Kortex, die Inselrinde und das limbische System spielen hierbei wichtige Rollen.

Auch Ungleichgewichte bei Neurotransmittern – den Botenstoffen des Gehirns – können beteiligt sein. Serotonin, Dopamin und Noradrenalin regulieren nicht nur Stimmung und Angstempfinden, sondern auch die Verarbeitung sensorischer Eindrücke und das Körpergefühl.

Nahaufnahme eines Mannes beim Rauchen eines Joints, Rauch steigt auf.

Substanzkonsum und Medikamente als Auslöser

Bestimmte Substanzen können Depersonalisationserleben auslösen oder verstärken:

  • Cannabis, besonders in höherer Dosierung oder bei sensiblen Personen
  • Psychedelische Substanzen wie LSD oder Psilocybin
  • Stimulanzien wie Kokain oder Amphetamine
  • Übermäßiger Alkoholkonsum oder Entzugserscheinungen
  • Bestimmte Medikamente, darunter ironischerweise auch etliche Antidepressiva

Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass Antidepressiva bei manchen Menschen Depersonalisationssymptome tatsächlich verstärken oder sogar erst auslösen können. Dies gilt vor allem zu Beginn der Behandlung oder bei Dosisänderungen. Die Entscheidung für oder gegen Antidepressiva sollte daher sehr sorgfältig und unter fachärztlicher Begleitung getroffen werden. Alternative Behandlungsmethoden sollten immer in Betracht gezogen werden, bevor zu Medikamenten gegriffen wird.

Depersonalisation: Definition und Abgrenzung zur Psychose

Depersonalisation beschreibt ein beunruhigendes Gefühl der Unwirklichkeit und Entfremdung vom eigenen Körper und Geist. Betroffene fühlen sich wie ein Beobachter Ihrer selbst oder nehmen die Welt wie durch einen Schleier wahr. Dieser Zustand kann kurzzeitig auftreten oder auch über längere Zeit bestehen bleiben.

Im Gegensatz zu einer Psychose bleibt bei einer Depersonalisation die Realitätsprüfung vollständig intakt. Sie wissen, dass etwas nicht stimmt – es fühlt sich nur merkwürdig anders an. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn sie zeigt: Sie verlieren nicht den Verstand, auch wenn es sich manchmal so anfühlen mag.

Zwei Frauen sitzen sich gegenueber in Sesseln und fuehren ein Gespraech, moeglicherweise eine Therapiesitzung ueber Depersonalisation.

Behandlungsmöglichkeiten bei Depersonalisation

Der Weg aus der Depersonalisation ist für jeden Menschen individuell. Verschiedene Ansätze können helfen, wieder ein ganzheitliches Selbsterleben zu gewinnen.

Psychotherapeutische Ansätze mit nachgewiesener Wirkung

  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hilft Ihnen, belastende Gedankenmuster zu erkennen und zu verändern. Sie lernen, katastrophisierende Gedanken („Ich verliere den Verstand“) durch realistischere Einschätzungen zu ersetzen („Dies ist ein unangenehmes, aber ungefährliches Symptom“). Zudem trainieren Sie, Ihre Aufmerksamkeit wieder auf den gegenwärtigen Moment zu lenken, statt sich in Gedankenspiralen zu verlieren.
  • Achtsamkeitsbasierte Therapien stärken Ihre Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu bleiben und Ihre Körperempfindungen wahrzunehmen. Statt gegen die Depersonalisation anzukämpfen, üben Sie eine akzeptierende Haltung, die paradoxerweise oft zur Linderung der Symptome führt. Man könnte es so beschreiben: Was Sie nicht bekämpfen, verliert seine Macht über Sie.
  • Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) verbindet Achtsamkeit mit wertorientiertem Handeln. Sie lernen, mit den unangenehmen Empfindungen zu leben, während Sie gleichzeitig ein erfülltes Leben gemäß Ihren persönlichen Werten führen.
  • EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) kann besonders bei traumabedingter Depersonalisation hilfreich sein. Diese Methode hilft dem Gehirn, belastende Erfahrungen neu zu verarbeiten und zu integrieren.
  • Die Bernhardt-Methode: Diese Kombinationstherapie vereint die besten Tools der kognitiven Verhaltenstherapie, der Akzeptanz- und Commitment-Therapie und der Hypnotherapie nach Milton H. Erickson mit den neusten Erkenntnissen der Neurowissenschaften. Sie kommt nicht nur bei Depersonalisationsstörungen oder Derealisationsstörungen zum Einsatz, sondern hat sich auch bei Behandlung von Angststörungen, Zwangsstörungen und Depressionen gut bewährt.
Auf einem alten Holztisch liegt das Foto eines jungen Mannes mit Depersonalisationsstörung. Daneben liegen verteilt unterschiedliche Tabletten, die dagegen helfen sollen.

Medikamentöse Unterstützung – wann sinnvoll, wann problematisch?

Bei schweren Fällen von Depersonalisation, besonders wenn sie mit starken Angststörungen oder Depressionen einhergeht, können Medikamente in Erwägung gezogen werden. Doch ist hier Vorsicht geboten.

Einige Antidepressiva, insbesondere aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), können in manchen Fällen die Depersonalisationssymptome lindern – bei anderen Personen jedoch verstärken oder überhaupt erst auslösen. Diese paradoxe Wirkung tritt besonders häufig zu Behandlungsbeginn auf.

Benzodiazepine können kurzfristig Entlastung bringen, bergen aber ein erhebliches Abhängigkeitspotenzial und eignen sich daher nicht für die Langzeitbehandlung.

Die Entscheidung für oder gegen Medikamente sollte immer:

  • individuell abgewogen werden
  • unter fachärztlicher Begleitung erfolgen
  • regelmäßig überprüft werden
  • nicht als alleinige Behandlungsstrategie betrachtet werden

Als Leiter des Instituts für moderne Psychotherapie empfehle ich, zunächst nicht-medikamentöse Behandlungsansätze zu versuchen, bevor zu Medikamenten gegriffen wird. Oft können psychotherapeutische Methoden in Kombination mit Lebensstilveränderungen bereits bemerkenswerte Verbesserungen erzielen.

Selbsthilfe-Strategien gegen Depersonalisation

Zusätzlich zu professioneller Behandlung können Sie auch selbst viel tun, um Depersonalisationssymptome zu lindern und Ihr Wohlbefinden zu steigern. Neben der von uns präferierten und bereits eingangs erwähnten Handschuh-Technik, haben sich auch Verankerungstechniken, Methoden zur Stressreduktion und Veränderungen in Lebensstil und Ernährung bewährt.

Verankerungstechniken für den Alltag – Zurück ins Hier und Jetzt

Verankerungstechniken (auch „Grounding“ genannt) helfen Ihnen, Ihre Aufmerksamkeit wieder in den gegenwärtigen Moment und in Ihren Körper zu bringen. Hier sind bewährte Methoden, die Sie jederzeit anwenden können:

  1. Körperliche Empfindungen bewusst wahrnehmen: Spüren Sie den Boden unter Ihren Füßen, die Berührung Ihrer Kleidung auf der Haut, das Gewicht Ihres Körpers auf dem Stuhl. Benennen Sie diese Empfindungen innerlich oder leise.
  2. Die fünf Sinne aktiv einsetzen: Nennen Sie bewusst fünf Dinge, die Sie sehen, vier Dinge, die Sie hören, drei Dinge, die Sie spüren, zwei Dinge, die Sie riechen und einen Geschmack, den Sie wahrnehmen. Diese einfache Übung verankert Sie im Hier und Jetzt.
  3. Temperaturreize nutzen: Kaltes Wasser über die Handgelenke laufen lassen, einen Eiswürfel in der Hand halten oder ein warmes Getränk trinken – starke Temperaturempfindungen können helfen, wieder in den Körper „einzusteigen“.
  4. Rhythmische Bewegungen durchführen: Gehen Sie bewusst und spüren Sie jeden Schritt, klatschen Sie einen einfachen Rhythmus, schaukeln Sie sanft vor und zurück. Rhythmische Bewegungen helfen dem Gehirn, wieder ins „Hier und Jetzt“ zurückzukommen.
  5. Bewusst atmen und den Atem spüren: Legen Sie eine Hand auf Ihren Bauch und eine auf Ihre Brust. Atmen Sie langsam und tief ein und aus, während Sie die Bewegungen unter Ihren Händen spüren. Zählen Sie dabei innerlich mit: „1-2-3-4“ beim Einatmen, kurze Pause, „1-2-3-4-5-6“ beim Ausatmen.
  6. Starke Geschmacksreize nutzen: Lutschen Sie eine Zitronenscheibe, kauen Sie ein scharfes Pfefferminzbonbon oder beißen Sie in eine Chilischote (wenn Sie scharf vertragen). Intensive Geschmacksempfindungen können Sie effektiv ins Hier und Jetzt zurückholen.
  7. Innere Benennung praktizieren: Beschreiben Sie Ihre Umgebung und Ihre Tätigkeiten in einfachen Worten: „Ich sitze auf einem Stuhl. Der Stuhl ist fest. Ich spüre die Lehne an meinem Rücken. Jetzt greife ich nach der Tasse. Die Tasse ist warm.“

Führen Sie diese Übungen regelmäßig durch, nicht nur wenn die Symptome stark sind. Regelmäßiges Training verstärkt die Wirkung und baut neue neuronale Verbindungen auf.

Stressreduktion und Entspannungstechniken im Detail

Stress verstärkt Depersonalisationssymptome erheblich. Daher ist Stressmanagement ein zentraler Baustein jeder erfolgreichen Behandlung. Lernen Sie wirksame Entspannungstechniken:

  • Progressive Muskelentspannung nach Jacobson: Bei dieser bewährten Methode spannen Sie nacheinander verschiedene Muskelgruppen an und entspannen sie wieder. Der Kontrast zwischen Anspannung und Entspannung hilft Ihrem Körper, tiefe Entspannung zu erreichen und gleichzeitig das Körpergefühl zu stärken.
  • Atemübungen für schnelle Beruhigung: Die 4-7-8-Atmung ist besonders effektiv: Atmen Sie 4 Sekunden lang durch die Nase ein, halten Sie den Atem für 7 Sekunden, und atmen Sie 8 Sekunden lang durch den Mund aus. Wiederholen Sie dies 3-4 Mal. Diese Technik aktiviert Ihren Parasympathikus – den Gegenspieler des Stresssystems.
  • Autogenes Training für tiefe Entspannung: Mit Formeln wie „Mein rechter Arm ist schwer“ oder „Meine Stirn ist angenehm kühl“ lernen Sie, verschiedene Körperfunktionen willentlich zu beeinflussen. Diese Methode verbindet Entspannung mit verstärkter Körperwahrnehmung.
  • Meditative Praktiken für geistige Klarheit: Einfache Meditationsübungen, bei denen Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem oder einen Fokuspunkt richten, können helfen, den ständigen Gedankenstrom zu beruhigen und mehr im Körper anzukommen.
  • Regelmäßige Bewegung – der natürliche Stressabbau: Körperliche Aktivität baut Stresshormone ab und setzt Wohlfühlbotenstoffe frei. Besonders hilfreich sind Aktivitäten, die Koordination erfordern und Sie dadurch im Hier und Jetzt verankern – etwa Tanzen, Kampfkunst oder Ballsportarten.

Wichtig ist Regelmäßigkeit: Eine tägliche kurze Entspannungsübung ist wirkungsvoller als eine lange Übungseinheit einmal pro Woche.

Ernährung und Lebensstil anpassen – die Biochemie im Gleichgewicht

Was Sie essen und wie Sie leben, beeinflusst direkt Ihre Gehirnchemie und damit auch Depersonalisationssymptome. Achten Sie auf folgende Aspekte:

Förderlich Zu vermeiden
Omega-3-Fettsäuren (Fisch, Leinsamen, Walnüsse) unterstützen die Gehirnfunktion
Koffein kann Angstsymptome und damit Depersonalisation verstärken
Magnesiumreiche Kost (grünes Blattgemüse, Nüsse, Vollkornprodukte) wirkt entspannend
Alkohol mag kurzfristig entspannen, verstärkt aber langfristig Angstsymptome
Regelmäßige Mahlzeiten halten den Blutzucker stabil und verhindern Stressreaktionen
Zucker und raffinierte Kohlenhydrate verursachen Blutzuckerschwankungen, die Angst verstärken können
Ausreichend Wasser ist essentiell für optimale Gehirnfunktion
Energy-Drinks und andere stimulierende Getränke können das Nervensystem überreizen
B-Vitamine (Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte) unterstützen das Nervensystem
Unregelmäßiger Schlaf stört die Gehirnchemie und verstärkt dissoziative Symptome
Tryptophanreiche Lebensmittel (Bananen, Truthahn, Milchprodukte) fördern die Serotoninproduktion
Übermäßige Bildschirmzeit, besonders vor dem Schlafengehen, kann Depersonalisation begünstigen
Fermentierte Lebensmittel (Joghurt, Sauerkraut) unterstützen die Darmgesundheit und damit die Gehirnfunktion
Nikotin wirkt stimulierend und kann Angstsymptome verstärken

Besonders wichtig ist ein regelmäßiger Schlafrhythmus. Schlafmangel kann Depersonalisationssymptome deutlich verschlimmern. Schaffen Sie eine beruhigende Abendroutine, reduzieren Sie blaues Licht vor dem Schlafengehen und sorgen Sie für eine komfortable Schlafumgebung.

Ein Mann in grauem Oberteil sitzt bekümmert auf einer Couch, Hand an Stirn, im Wohnzimmer. Dies veranschaulicht Depersonalisation.

Wann sollten Sie professionelle Hilfe suchen?

Selbsthilfestrategien können sehr wirksam sein, haben aber ihre Grenzen. Suchen Sie unbedingt professionelle Unterstützung, wenn:

  • Die Symptome länger als einige Wochen anhalten und sich nicht bessern
  • Ihre Lebensqualität stark beeinträchtigt ist (Arbeitsfähigkeit, soziale Kontakte)
  • Alltägliche Aufgaben nicht mehr bewältigt werden können
  • Suizidgedanken oder Gefühle tiefer Hoffnungslosigkeit auftreten
  • Die Symptome sich trotz Ihrer Bemühungen verschlimmern
  • Sie sich zunehmend isolieren, um Situationen zu vermeiden, die die Symptome auslösen könnten
  • Zusätzliche Symptome wie Panikattacken, starke Depressionen oder Zwangsgedanken auftreten
  • Substanzkonsum zur Selbstmedikation zunimmt

An wen können Sie sich wenden?

  • Hausärzte können eine erste Anlaufstelle sein und Sie weitervermitteln
  • Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie
  • Psychologische Psychotherapeuten
  • Gut ausgebildete Heilpraktiker für Psychotherapie
  • Spezialisierte Kliniken für psychosomatische Erkrankungen oder Angststörungen
  • Selbsthilfegruppen als ergänzende Unterstützung

Scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Depersonalisation ist eine anerkannte und behandelbare Störung. Sie sind damit nicht allein.

Erfahrungsberichte: Wege aus der Depersonalisation

Persönliche Erfahrungen können Hoffnung geben und zeigen, dass ein Weg aus der Depersonalisation möglich ist.

Michaels Geschichte (32): „Anfangs fühlte ich mich wie in einem Film. Nichts schien real – nicht einmal ich selbst. Nach drei Monaten Therapie konnte ich wieder spüren, dass ich wirklich existiere. Der Wendepunkt kam, als ich begann, meine Symptome zu akzeptieren statt gegen sie anzukämpfen. Je weniger ich mich vor der Depersonalisation fürchtete, desto schwächer wurde sie.“

Sarahs Weg (27): „Die Depersonalisation begann nach einer besonders stressigen Lebensphase. Ich dachte, ich würde verrückt werden. Was mir am meisten geholfen hat, waren verschiedene Verankerungstechniken, wie z.B. die Handschuh-Technik, und die Erkenntnis, dass mein Gehirn mich eigentlich schützen wollte. Ich habe gelernt, meinen Körper wieder zu spüren, indem ich viel Zeit in der Natur verbrachte und auf Koffein verzichtete. Heute lebe ich fast symptomfrei.“

Thomas‘ Erfahrung (45): „15 Jahre lang litt ich unter Depersonalisation, ohne zu wissen, was mit mir los war. Ärzte verschrieben mir Antidepressiva, die alles noch verschlimmerten. Die Wende kam durch eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie und Achtsamkeitspraxis. Heute kann ich sagen: Es gibt einen Weg zurück ins Leben. Man braucht Geduld, aber es ist möglich.“

Annas Bericht (19): „Meine Depersonalisation begann nach einem Cannabis-Erlebnis. Plötzlich fühlte sich alles unwirklich an. Die Panik darüber machte alles schlimmer. In der Therapie lernte ich, dass meine ständige Sorge um die Symptome sie aufrechterhielt. Als ich anfing, mich trotz der Symptome wieder meinem Leben zu widmen, kehrte langsam das normale Erleben zurück.“

Diese Berichte zeigen wiederkehrende Muster erfolgreicher Bewältigung:

  • Akzeptanz statt Kampf gegen die Symptome
  • Regelmäßige Verankerungsübungen
  • Reduzierung von Stressfaktoren und stimulierenden Substanzen
  • Geduld und Ausdauer im Genesungsprozess
  • Engagement im Leben trotz vorhandener Symptome
Ein Mann steht mit dem Ruecken zum Betrachter auf einem Weg und blickt in die Sonne.

Zusammenfassung: Ihr Weg zurück zu sich selbst

Depersonalisation ist eine belastende, aber behandelbare Erfahrung. Mit dem richtigen Verständnis, professioneller Unterstützung und gezielten Selbsthilfestrategien können Sie den Weg zurück zu einem authentischen Selbsterleben finden.

Die 7 wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Artikel:

  1. Depersonalisation ist keine gefährliche psychische Erkrankung, sondern eine Schutzreaktion Ihres Gehirns auf übermäßigen Stress oder emotionale Belastung
  2. Die Symptome können beängstigend sein, führen aber nicht zu bleibenden Schäden oder psychotischen Zuständen
  3. Häufige Auslöser sind Stress, Trauma, bestimmte Substanzen und manchmal auch Medikamente wie Antidepressiva
  4. Der Teufelskreis aus Angst vor den Symptomen und Verstärkung der Symptome durch diese Angst kann durchbrochen werden
  5. Psychotherapeutische Ansätze wie kognitive Verhaltenstherapie und Achtsamkeitspraxis zeigen gute Erfolge
  6. Medikamentöse Behandlung sollte sorgfältig abgewogen werden, da einige Medikamente die Symptome paradoxerweise verstärken können
  7. Selbsthilfestrategien wie Verankerungsübungen, Stressreduktion und Lebensstilanpassungen sind zentrale Bausteine der Genesung

Die wichtigsten Schritte auf Ihrem Weg sind:

  • Die Symptome erkennen und verstehen, ohne in Panik zu geraten
  • Die individuellen Auslöser identifizieren und nach Möglichkeit reduzieren
  • Wirksame Selbsthilfestrategien wie Verankerungsübungen im Alltag anwenden
  • Bei Bedarf professionelle Hilfe in Anspruch nehmen
  • Geduld mit sich selbst haben und jeden kleinen Fortschritt würdigen

Denken Sie daran: Die Überwindung von Depersonalisation ist ein Prozess, kein einmaliges Ereignis. Es kann Zeit brauchen, bis sich Ihr Gehirn wieder an ein normales Selbsterleben gewöhnt. Geben Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, und feiern Sie jeden noch so kleinen Fortschritt.

Disclaimer / Haftungsausschluss

Dieser Artikel soll Sie umfassend informieren und Ihnen neue Perspektiven eröffnen. Er ergänzt, aber ersetzt nicht die individuelle Diagnose oder Behandlung durch medizinisches Fachpersonal. Bei gesundheitlichen Fragen: Holen Sie sich professionelle Hilfe – und nutzen Sie unsere Tipps als kraftvolle Unterstützung.

Wissenschaftliche Studien zum Thema

  • Sierra, M. (2009), Depersonalization: A New Look at a Neglected Syndrome. Cambridge University Press,
  • Daphne Simeon, D., Jeffrey Abugel, J. (2006): Feeling Unreal: Depersonalization Disorder and the Loss of the Self. Oxford University Press, New York 2006
  • Michal, M. (2015): Depersonalisation und Derealisation: Die Entfremdung überwinden. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Kohlhammer, Stuttgart