Die Akzeptanz-und-Commitment-Therapie, kurz ACT, ist ein moderner psychotherapeutischer Ansatz, der zur „dritten Welle“ der Verhaltenstherapie gezählt wird. Sie wurde in den 1980er Jahren von dem amerikanischen Psychologen Steven C. Hayes entwickelt und kombiniert achtsamkeits- und akzeptanzbasierte Strategien mit Elementen der klassischen Verhaltenstherapie und wertebasiertem Handeln.
Anders als bei vielen traditionellen Therapieformen geht es bei der ACT nicht primär darum, unangenehme Gedanken und Gefühle zu reduzieren oder zu kontrollieren. Stattdessen lernt man, diese als Teil des Lebens zu akzeptieren und trotzdem Schritte in Richtung eines wertvollen, sinnerfüllten Lebens zu unternehmen.
ACT ist besonders dann hilfreich, wenn Menschen unter chronischem innerem Kampf, Gedankenverstrickung oder dem Wunsch nach Kontrolle über unangenehme Gefühle leiden. Sie ist keine schnelle Lösung, sondern ein nachhaltiger Ansatz, um ein wertorientiertes und sinnvolles Leben zu führen – auch mit inneren Schwierigkeiten.
Alle Themen im Überblick
Kognitive Defusion, ein wesentlicher Bestandteil der ACT
ACT vermittelt Techniken, um Abstand zu den eigenen Gedanken zu gewinnen (Kognitive Defusion). Statt sich mit stressverstärkenden Gedanken zu identifizieren, werden diese als mentale Ereignisse erkannt, die kommen und gehen. Hierzu ein Beispiel: Der Gedanke „Ich schaffe das nie“ wird nicht mehr als Tatsache betrachtet, sondern als Gedanke, den man beobachten kann – ohne automatisch darauf zu reagieren.
Wertearbeit innerhalb der ACT: Was ist mir wirklich wichtig?
Viele Menschen mit psychischen Problemen verlieren den Kontakt zu ihren persönlichen Werten. ACT hilft dabei, diese neu zu entdecken – z. B. Verbindung, Kreativität, Mitgefühl, Abenteuerlust – und daraus sinnvolle Ziele abzuleiten. Hierzu ein Beispiel: Statt sich zu überarbeiten, weil man „etwas leisten muss“, entscheidet sich jemand bewusst für mehr Zeit mit der Familie, weil Nähe und Fürsorglichkeit dank der ACT wieder als zentrale Werte erkannt wurden, die genauso wichtig wie beruflicher Erfolg sind.
Einsatzgebiete der Akzeptanz-Commitment-Therapie
Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) kommt bei einer Vielzahl von psychischen Problemen zum Einsatz. Besonders bewährt hat sie sich bei folgenden Störungsbildern:
Angststörungen mit ACT behandeln
Die Akzeptanz-und-Commitment-Therapie hilft nachweislich bei generalisierter Angststörung (GAD), sozialer Phobie und Panikstörungen. Statt angstauslösende Gedanken zu bekämpfen, fördert die ACT die Akzeptanz angstbesetzter Gedanken und lehrt Klienten, trotz der Angst zu handeln. Studien zeigen, dass ACT bei Angststörungen ähnlich effektiv ist wie kognitive Verhaltenstherapie (KVT), teilweise aber mit besseren Langzeiteffekten. Besonders vorteilhaft ist ACT für Angstpatienten, die stark mit Vermeidung und Grübeln kämpfen oder wenig Zugang zu klassischen kognitiven Strategien finden.
Depressionen mit ACT behandeln
Bei depressiven Episoden hilft die Akzeptanz-und-Commiment-Therapie, die gedankliche Verstrickung mit negativen Gedankenmustern zu reduzieren und durch wertegeleitetes Handeln neue Motivation und Lebenssinn zu finden. Ein zentrales Ziel von ACT ist es, die kognitive Fusion – also die starke Identifikation mit belastenden Gedanken – zu lösen. Statt Gedanken wie „Ich bin wertlos“ oder „Es wird nie besser“ als absolute Wahrheiten zu betrachten, lernen Betroffene, diese Gedanken als mentale Ereignisse wahrzunehmen, die kommen und gehen. Durch Defusionstechniken wie die Benennung von Gedanken („Ich bemerke gerade den Gedanken, dass ich wertlos bin“) oder kreative Methoden (z. B. Gedanken singen oder in Comicform darstellen) wird die Distanz zum inneren Erleben vergrößert.
Ein weiterer Kernpunkt ist die Klärung persönlicher Werte: Was ist mir im Leben wirklich wichtig? Welche Menschen, Tätigkeiten oder Ziele geben meinem Leben Bedeutung? In der Therapie werden solche Werte erarbeitet und in konkrete Handlungsschritte übersetzt. Dies ermöglicht den Aufbau neuer, sinnstiftender Aktivitäten trotz depressiver Symptome – auch wenn diese anfangs nur in kleinen Schritten erfolgen. Dieses wertegeleitete Handeln kann als Gegengewicht zu dem Gefühl innerer Leere und Orientierungslosigkeit wirken, das viele depressive Menschen empfinden.
Chronischen Stress & Burnout mit Akzeptanz-Commitment-Therapie reduzieren
ACT unterstützt Betroffene dabei, inneren Druck zu reduzieren, ihre Werte neu zu definieren und wieder auf sie auszurichten – statt gegen unerreichbare Idealzustände anzukämpfen. Statt Probleme „wegzumachen“, fördert ACT die psychische Flexibilität – also die Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu bleiben, unangenehme Erfahrungen anzunehmen und sich bewusst für ein wertebasiertes Leben zu entscheiden.
Dazu nutzt die ACT Achtsamkeit und Akzeptanz. Betroffene entwickeln durch gezielte Übungen die Fähigkeit, Gedanken, Gefühle und körperliche Empfindungen wahrzunehmen, ohne sie sofort verändern oder verdrängen zu wollen. Diese Haltung der offenen Beobachtung reduziert das ständige mentale „Kämpfen gegen sich selbst“ – ein häufiges Muster bei chronischem Stress und Burnout.
Chronische Schmerzen mit ACT lindern
ACT wird erfolgreich in der Schmerzpsychotherapie eingesetzt. Sie hilft, Schmerz nicht als Feind, sondern als Teil der Erfahrung zu akzeptieren, um mehr Lebensqualität trotz Schmerzen zu ermöglichen. Anstatt das Leben dem Schmerz unterzuordnen, richtet sich der Fokus wieder auf das, was wirklich zählt: Beziehungen, Sinn, Selbstverwirklichung. Allein diese Fokusverschiebung kann schon dafür sorgen, dass Schmerzen tatsächlich nicht mehr so intensiv wahrgenommen werden. Denn Aufmerksamkeit auf Schmerz ist ein wesentlicher Schmerzverstärker. Wertebasiertes Handeln und die Ausrichtung auf neue Ziele wirkt dem positiv entgegen.
Zwangsstörungen mit ACT den Schrecken nehmen
Anstatt Zwänge direkt zu unterdrücken, fördert ACT die Fähigkeit, Zwangsgedanken als vorübergehende mentale Ereignisse zu sehen, ohne zwanghaft reagieren zu müssen. Betroffene lernen, Zwangsgedanken wie vorbeiziehende Wolken am Himmel zu beobachten – präsent, aber nicht bedrohlich. Dieser Perspektivwechsel reduziert die emotionale Aufladung der Gedanken und mindert den Drang, ihnen durch Rituale oder Vermeidungsverhalten nachzugeben.
Weitere Anwendungsgebiete, bei denen die ACT zum Einsatz kommen kann
Neben den bereits genannten Anwendungsgebieten kann die Akzeptanz-und-Commitment-Therapie auch unterstützend bei folgenden Problemfeldern zum Einsatz kommen.
Essstörungen
ACT kann hilfreich sein, um rigide Denkweisen zu durchbrechen, Selbstakzeptanz zu fördern und Verhaltensänderungen auf Basis persönlicher Werte zu etablieren.
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
ACT ist besonders hilfreich, wenn klassische Konfrontationsmethoden zu belastend sind. Es ermöglicht, traumatische Inhalte achtsam zuzulassen, ohne erneut retraumatisiert zu werden.
Psychotische Störungen (z.B. Schizophrenie)
ACT unterstützt Betroffene dabei, mit Stimmen und Wahninhalten gelassener umzugehen, ohne zwanghaft dagegen ankämpfen zu müssen, was den Leidensdruck senkt.
Suchtverhalten
ACT betont Selbstverantwortung und Werte, was hilft, destruktives Verhalten langfristig durch sinnvolle Alternativen zu ersetzen.
Die sechs Kernprozesse der ACT
Die ACT basiert auf sechs zentralen Prozessen, die gemeinsam die psychische Flexibilität fördern – die Fähigkeit, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein und das eigene Verhalten an persönliche Werte anzupassen, auch wenn unangenehme Gedanken und Gefühle präsent sind.
1. Achtsamkeit: Im Hier und Jetzt leben
Achtsamkeit bedeutet, bewusst im gegenwärtigen Moment zu sein, ohne zu urteilen. Bei Angststörungen schweift der Geist häufig in die Zukunft ab („Was könnte alles Schlimmes passieren?“) oder verweilt in der Vergangenheit („Warum habe ich damals so reagiert?“).
Praktische Übung: Der 5-Sinne-Check – mehr als nur eine einfache Achtsamkeitsübung
Der 5-Sinne-Check steht im Herzen der ACT und ist ein kraftvolles Werkzeug, das viel mehr bewirkt, als man auf den ersten Blick vermuten würde:
- Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und achten Sie bewusst auf:
- 5 Dinge, die Sie SEHEN können
- 4 Dinge, die Sie FÜHLEN können
- 3 Dinge, die Sie HÖREN können
- 2 Dinge, die Sie RIECHEN können
- 1 Ding, das Sie SCHMECKEN können
Warum diese Übung so wirkungsvoll ist:
Die Wissenschaft dahinter: Wenn Angst uns überflutet, passiert etwas Interessantes in unserem Gehirn: Unser Angstzentrum (die Amygdala, ein kleiner mandelförmiger Teil tief im Gehirn) geht auf Hochtouren, während unser „vernünftiger“ Denkteil (der präfrontale Kortex) in den Hintergrund tritt. Stellen Sie sich das wie einen kleinen Putsch in Ihrem Kopf vor: Die Angst übernimmt die Macht, und die vernünftige Stimme wird leise.
Der 5-Sinne-Check ist wie ein sanfter Gegenschlag. Wenn Sie bewusst Ihre Sinne nutzen, aktivieren Sie wieder Ihren präfrontalen Kortex – es ist, als würden Sie dem „Denker“ in Ihrem Kopf wieder das Steuer in die Hand geben. Gleichzeitig beruhigen Sie Ihr emotionales Gehirn, weil Sie Ihre Aufmerksamkeit auf neutrale Informationen aus Ihrer Umgebung richten.
Mehrfache Wirkung in der ACT: Diese scheinbar einfache Übung unterstützt gleich mehrere Kernprozesse der ACT:
- Sie aktiviert das „beobachtende Selbst“ – jenen Teil in uns, der einfach wahrnimmt, ohne sofort zu bewerten. Wenn Ihr Geist wie ein wildes Pferd ist, das mit Ihnen in Panik davon galoppiert, dann ist der 5-Sinne-Check wie ein sanftes Zurückführen zu einem sicheren Stall – dem gegenwärtigen Moment.
- Sie schafft Distanz zu belastenden Gedanken (kognitive Defusion). Wenn die Angst einen fest im Griff hat, verschmelzen Betroffene förmlich mit ihren angstbesetzten Gedanken – sie SIND dann die Angst. Der 5-Sinne-Check schafft Abstand. Eine unserer Patientinnen beschrieb es einmal so: „Es ist, als würde ich aus einem brennenden Haus (meinen Angstgedanken) ins Freie treten und endlich wieder Luft bekommen.“
- ACT trainiert das Gehirn neu. Jedes Mal, wenn man seine Aufmerksamkeit von Angstgedanken auf Sinneswahrnehmungen umlenkt, stärkt man den alternativen neuronalen Pfad. Denken Sie an einen überwucherten Waldweg und einen viel genutzten Hauptweg. Die Angstgedanken sind wie dieser ausgetretene Hauptweg – Ihr Gehirn folgt automatisch dieser Spur. Der 5-Sinne-Check ist wie das bewusste Gehen auf dem weniger genutzten Pfad. Mit jeder Wiederholung wird dieser Weg breiter und leichter begehbar.
Tipps für noch wirkungsvollere Anwendung:
- Verweilen Sie kurz bei jedem Sinneseindruck für einen Atemzug.
- Fügen Sie Details hinzu: Nicht nur „Ich sehe einen Baum“, sondern „Ich sehe einen Baum mit hellgrünen, im Wind tanzenden Blättern.“
- Bleiben Sie neutral: Vermeiden Sie Bewertungen wie „schön“ oder „hässlich“.
- Spüren Sie Ihren Körper: Fügen Sie am Ende hinzu: „Und ich spüre meinen Körper genau hier, wie er atmet, wie er sitzt/steht.“
- Dankbarkeit einbauen: Schließen Sie mit einem Moment der Dankbarkeit für einen der wahrgenommenen Sinneseindrücke ab.
Studien zeigen, dass Menschen mit Angststörungen, die regelmäßig solche Achtsamkeitsübungen praktizieren, eine um 34% höhere Wahrscheinlichkeit haben, ihre Therapieziele zu erreichen.
Weiterentwicklungen der ACT
Die Bernhardt-Methode, die ebenfalls zahlreiche Elemente der ACT nutzt und kontinuierlich weiterentwickelt hat, geht hier sogar noch einen Schritt weiter. Statt die 5 Sinne auf das zu fokussieren, dass Betroffene unmittelbar umgibt, wird mit Hilfe eines speziellen Mentaltrainings, der 10-Satz-Methode, eine Optimal-Version des eigenen Lebens mit allen 5 Sinnen durchgearbeitet. Da das Gehirn auf neuronaler Ebene keinen Unterschied macht, ob man etwas real erlebt oder sich nur intensiv vorstellt, werden so regelrecht positive Datenautobahnen im Gehirn gebildet, die Ängste nicht nur reduzieren, sondern stattdessen Gefühle von Leichtigkeit und Freude aktivieren.
2. Akzeptanz: Die Bereitschaft, Schwieriges anzunehmen
Akzeptanz bedeutet nicht Resignation oder dass Sie Ihre Angst mögen müssen. Es geht vielmehr darum, die Realität anzuerkennen, wie sie ist, ohne unnötige Energie in den Kampf gegen unveränderbare Aspekte Ihres Erlebens zu stecken.
Praktische Übung: Der Angst einen Namen geben, Stellen Sie sich Ihre Angst als eine eigene Entität vor. Geben Sie ihr einen Namen (z.B. „der Kritiker“ oder „der Zweifler“). Wenn die Angst auftaucht, können Sie innerlich sagen: „Ah, ich sehe, dass der Zweifler gerade wieder aktiv ist. Danke für den Hinweis, aber ich entscheide jetzt selbst.“
Diese Technik schafft Distanz und hilft Ihnen, die Angst als einen Teil von Ihnen zu sehen, nicht als Ihre gesamte Identität.
3. Kognitive Defusion: Distanz zu belastenden Gedanken gewinnen
Kognitive Defusion bedeutet, Gedanken als das zu erkennen, was sie sind – nur Gedanken, nicht zwingend Fakten oder Wahrheiten. Dies hilft, sich weniger in angstauslösenden Gedankenspiralen zu verfangen.
Praktische Übung: Gedanken-Beobachter
- Notieren Sie einen belastenden Gedanken (z.B. „Ich werde versagen“).
- Fügen Sie davor hinzu: „Ich habe den Gedanken, dass …“
- Dann erweitern Sie zu: „Ich bemerke, dass ich den Gedanken habe, dass …“
Diese schrittweise Distanzierung hilft, den Gedanken als mentales Ereignis zu erkennen und nicht als absolute Wahrheit.
4. Selbst-als-Kontext: Das beobachtende Selbst entwickeln
Dieser Prozess hilft Ihnen zu erkennen, dass es einen Teil in Ihnen gibt, der all Ihre Erfahrungen – einschließlich Ängste – beobachten kann, ohne von ihnen definiert zu werden.
Praktische Übung: Der innere Beobachter
Stellen Sie sich vor, dass ein Teil von Ihnen wie ein ruhiger See ist, auf dessen Oberfläche sich alle Gedanken, Gefühle und Erfahrungen spiegeln. Dieser See selbst bleibt unberührt von dem, was sich auf ihm spiegelt. Er beobachtet einfach, was kommt und geht. Bei aufkommender Angst können Sie sich fragen: „Wer bemerkt diese Angst gerade?“
5. Werte: Klarheit darüber gewinnen, was wirklich wichtig ist
Werte sind wie ein innerer Kompass, der Ihrem Leben Richtung gibt. Sie helfen bei der Entscheidung, welche Schritte trotz Angst wichtig sind.
Praktische Übung: Der Lebenskompass
Stellen Sie sich vor, Sie feiern Ihren 80. Geburtstag. Familie und Freunde halten Reden über Sie. Was würden Sie sich wünschen, dass sie über Ihr Leben sagen? Was war Ihnen wichtig? Wofür haben Sie gelebt?
Ihre Antworten geben Hinweise auf Ihre tiefsten Werte – jene Aspekte, die Ihrem Leben Bedeutung und Richtung verleihen.
6. Engagiertes Handeln: Wertorientierte Schritte unternehmen
Der letzte Prozess beinhaltet konkretes Handeln im Einklang mit den eigenen Werten, auch wenn Angst präsent ist.
Praktische Übung: Kleiner Schritt – große Wirkung
Wählen Sie einen wichtigen Wert aus (z.B. „Verbundenheit“). Überlegen Sie einen kleinen, konkreten Schritt, den Sie in den nächsten 24 Stunden unternehmen können, um diesem Wert näher zu kommen (z.B. einen Freund anrufen, auch wenn Angst vor Ablehnung besteht). Setzen Sie diesen Schritt um und reflektieren Sie Ihre Erfahrung.
Warum ACT bei Angststörungen besonders wirksam ist
Traditionelle Ansätze zur Behandlung von Angststörungen konzentrieren sich oft darauf, Angstsymptome zu reduzieren und angstauslösende Situationen zu vermeiden. Dies kann kurzfristig Erleichterung bringen, verstärkt jedoch langfristig die Angst und führt zu zunehmender Vermeidung.
ACT bietet hier einen grundlegend anderen Ansatz: Statt die Angst zu bekämpfen, lernen Sie, „mit der Angst zu arbeiten, statt gegen sie“. Diese Herangehensweise erweist sich als besonders wirksam, da sie den natürlichen Verlauf der Angst nicht stört. Denn: Jede Angst klingt von selbst wieder ab, wenn ihr natürlicher Verlauf nicht durch Vermeidung oder Kampf gestört wird.
Wissenschaftliche Studien bestätigen die Wirksamkeit dieses Ansatzes. In einer Meta-Analyse mehrerer Studien wurde nachgewiesen, dass ACT bei Angststörungen mindestens genauso effektiv ist wie etablierte Therapieformen wie die kognitive Verhaltenstherapie, in einigen Fällen sogar zu besseren Ergebnissen führt.
ACT in der Praxis: Ein Therapieverlauf bei Angststörungen
Die Therapie mit ACT folgt keinem starren Schema, sondern passt sich flexibel an individuelle Bedürfnisse an. Dennoch gibt es typische Elemente im Therapieverlauf:
- Kreative Hoffnungslosigkeit: Erkennen, dass bisherige Strategien im Umgang mit Angst nicht funktionieren
- Kontrollstrategien hinterfragen: Verstehen, wie der Versuch, Angst zu kontrollieren, oft das Problem verstärkt
- Akzeptanz als Alternative: Lernen, Angst zuzulassen, ohne in Vermeidung zu geraten
- Werteklärung: Entdecken, was im Leben wirklich wichtig ist
- Hindernisse identifizieren: Erkennen, welche Gedanken und Gefühle im Weg stehen
- Engagiertes Handeln: Konkrete Schritte in Richtung eines wertvollen Lebens unternehmen
Ein konkretes Fallbeispiel:
Marie, 34, mit sozialer Angststörung
Marie leidet seit Jahren unter intensiver Angst in sozialen Situationen. Sie vermeidet Meetings bei der Arbeit, sagt Einladungen zu Feiern ab und hat große Schwierigkeiten, neue Kontakte zu knüpfen. Ihre bisherige Strategie: Situationen vermeiden und, wenn unvermeidbar, versuchen, ihre Angstsymptome zu kontrollieren und zu verbergen.
ACT-Therapieverlauf:
- Marie erkennt, dass ihre Vermeidungsstrategien ihr Leben immer mehr einschränken und nicht zur Besserung führen.
- Sie lernt durch Achtsamkeitsübungen, ihre Angst im Körper wahrzunehmen, ohne sofort zu reagieren.
- Mit Hilfe von Defusionsübungen gewinnt sie Distanz zu Gedanken wie „Die anderen finden mich langweilig“.
- In der Werteklärung entdeckt Marie, dass ihr Verbundenheit und berufliche Weiterentwicklung besonders wichtig sind.
- Sie beginnt mit kleinen Schritten: zunächst meldet sie sich einmal kurz im Meeting zu Wort, später übernimmt sie sogar die Moderation eines Projekts.
Nach einigen Monaten ist Maries Angst nicht vollständig verschwunden, aber sie hat gelernt, mit ihr zu leben und trotzdem wichtige Schritte zu gehen. Ihre Lebensqualität hat sich deutlich verbessert.
Disclaimer / Haftungsausschluss
Dieser Artikel soll Sie umfassend informieren und Ihnen neue Perspektiven eröffnen. Er ergänzt, aber ersetzt nicht die individuelle Diagnose oder Behandlung durch medizinisches Fachpersonal. Bei gesundheitlichen Fragen: Holen Sie sich professionelle Hilfe – und nutzen Sie unsere Tipps als kraftvolle Unterstützung.
Wissenschaftliche Evidenz: Funktioniert ACT wirklich?
Die Wirksamkeit der ACT bei Angststörungen ist durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt. Besonders bemerkenswert ist, dass die Verbesserungen oft nachhaltig sind und auch Jahre nach Therapieende bestehen bleiben.
Eine randomisierte kontrollierte Studie von Gloster et al. (2015) zeigte, dass ACT bei Patienten mit therapieresistenter Panikstörung und Agoraphobie wirksamer war als die herkömmliche Behandlung. Die Patienten zeigten nicht nur eine signifikante Reduktion der Angstsymptome, sondern auch eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität.
Eine weitere Studie von Arch et al. (2012) verglich ACT direkt mit kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) bei verschiedenen Angststörungen. Die Ergebnisse zeigten, dass ACT ebenso wirksam war wie KVT bei der Reduktion der Angstsymptome, aber überlegene Ergebnisse bei der Verbesserung der Lebensqualität und der Verringerung von Komorbidität erzielte.
Eine Meta-Analyse von A-Tjak et al. (2021) untersuchte 18 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 917 Teilnehmern und kam zu dem Schluss, dass ACT mittlere bis große Effektstärken bei der Behandlung von Angststörungen aufweist.
ACT im Alltag: Wie Sie die Prinzipien selbst anwenden können
Auch wenn ACT typischerweise in einem therapeutischen Rahmen vermittelt wird, können Sie viele der Prinzipien in Ihren Alltag integrieren:
Morgenroutine mit Achtsamkeit
Beginnen Sie den Tag mit einer kurzen Achtsamkeitsübung (5–10 Minuten). Konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem oder scannen Sie Ihren Körper von Kopf bis Fuß. Dies stärkt Ihre Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu bleiben.
Werte-Check bei Entscheidungen
Vor wichtigen Entscheidungen fragen Sie sich: „Was ist mir in dieser Situation wirklich wichtig? Welcher Wert steht hier im Vordergrund?“ Lassen Sie Ihre Werte als Kompass dienen.
Defusionsübungen für den Alltag
Wenn belastende Gedanken auftauchen, probieren Sie eine dieser Techniken:
- Den Gedanken wie eine Schlagzeile in einer Zeitung vorstellen
- Den Gedanken in einer lustigen Stimme (z.B. wie Donald Duck) wiederholen (Pitching-Technik nach Klaus Bernhardt)
- Sich vorstellen, wie der Gedanke auf einer Wolke vorbeizieht
Akzeptanz statt Kampf
Wenn Sie merken, dass Sie gegen ein unangenehmes Gefühl ankämpfen, versuchen Sie bewusst zu entspannen und dem Gefühl Raum zu geben. Stellen Sie sich vor, das Gefühl ist wie eine Welle, die durch Sie hindurchfließt.
Engagiertes Handeln üben
Setzen Sie sich jede Woche ein kleines Ziel, das im Einklang mit Ihren Werten steht, aber etwas außerhalb Ihrer Komfortzone liegt. Dokumentieren Sie Ihre Erfahrungen in einem Journal.
Häufig gestellte Fragen zur Akzeptanz-und-Commitment-Therapie
Nein, Akzeptanz in der ACT bedeutet nicht Resignation oder Passivität. Es geht vielmehr darum, die Realität anzuerkennen, wie sie ist, ohne unnötige Energie in den Kampf gegen unveränderbare Aspekte zu stecken. Diese Akzeptanz schafft tatsächlich erst den Raum für wirksame Veränderung.
Achtsamkeit ist ein wichtiger Bestandteil von ACT, aber ACT umfasst viel mehr. Während Achtsamkeitsmeditation primär auf Präsenz im gegenwärtigen Moment abzielt, verbindet ACT diese Präsenz mit Werteklärung und engagiertem Handeln – also konkreten Verhaltensänderungen im Einklang mit persönlichen Werten.
Obwohl viele ACT-Prinzipien und -Übungen selbständig angewendet werden können, ist bei klinisch relevanten Angststörungen eine professionelle Begleitung durch einen in ACT ausgebildeten Therapeuten zu empfehlen. Es gibt jedoch auch gute Selbsthilfebücher, die als Ergänzung oder Einstieg dienen können.
Die Wirksamkeit von ACT kann individuell sehr unterschiedlich sein. Einige Menschen berichten bereits nach wenigen Sitzungen von Verbesserungen, während andere mehr Zeit benötigen. Wichtig ist das regelmäßige Üben der ACT-Prinzipien im Alltag. Typischerweise umfasst eine ACT-Therapie etwa 12-20 Sitzungen.
Ja, ACT hat sich bei verschiedenen Angststörungen als wirksam erwiesen, darunter soziale Angststörung, Panikstörung, generalisierte Angststörung und spezifische Phobien. Der Ansatz kann individuell an die jeweilige Problematik angepasst werden.
Zusammenfassung: Die Kraft der ACT bei Angststörungen
Die Akzeptanz-und-Commitment-Therapie bietet einen revolutionären Ansatz im Umgang mit Angststörungen, der nicht auf Symptomreduktion, sondern auf ein werteorientiertes Leben trotz Angst abzielt. Durch die Kombination von Achtsamkeit, Akzeptanz und werteorientiertem Handeln schafft ACT einen Weg aus der Vermeidungsfalle, die Angststörungen oft aufrechterhält.
Die wissenschaftliche Evidenz zeigt deutlich, dass ACT bei Angststörungen nicht nur wirksam ist, sondern in einigen Aspekten sogar bessere Ergebnisse erzielt als traditionelle Ansätze. Besonders beeindruckend: In einer Studie zeigten 67% der Teilnehmer nach einer ACT-Behandlung klinisch signifikante Verbesserungen ihrer Angstsymptome.
Ihr Weg zu mehr Lebensqualität
Der Weg aus einer Angststörung mag nicht immer leicht sein, aber er ist definitiv möglich. ACT bietet Ihnen dabei nicht nur Werkzeuge zur Bewältigung von Angst, sondern öffnet eine Tür zu einem reicheren, erfüllteren Leben.
Denken Sie daran: Es geht nicht darum, angstfrei zu werden, sondern darum, ein Leben zu führen, das Ihren tiefsten Werten entspricht – auch wenn Angst manchmal Teil Ihrer Reise ist. Jeder Schritt, den Sie in Richtung Ihrer Werte unternehmen, ist ein Sieg, unabhängig davon, welche Gefühle Sie dabei begleiten.
Ihr Leben wartet auf Sie. Nicht erst, wenn die Angst weg ist, sondern jetzt, in diesem Moment.
Wissenschaftliche Studien zum Thema Akzeptanz-Commitment-Therapie
- Villanueva, J. (2023). Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) bei Angststörungen. Klett-Cotta Verlag.
- Gloster, A.T., et al. (2020). The empirical status of acceptance and commitment therapy: A review of meta-analyses. Journal of Contextual Behavioral Science.
- Gloster, A. T., Sonntag, R., Hoyer, J., et al. (2015). Treating Treatment-Resistant Patients with Panic Disorder and Agoraphobia Using Psychotherapy: A Randomized Controlled Switching Trial. Psychotherapy and Psychosomatics, 84(2), 100-109.
- Arch, J. J., Eifert, G. H., Davies, C., et al. (2012). Randomized clinical trial of cognitive behavioral therapy (CBT) versus acceptance and commitment therapy (ACT) for mixed anxiety disorders. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 80(5), 750-765.
- A-Tjak, J., et al. (2015). A meta-analysis of the efficacy of acceptance and commitment therapy for clinically relevant mental and physical health problems. Psychotherapy Research.
- Soltani, E., et al. (2023), Effectiveness of Acceptance Commitment Therapy in Social Anxiety Disorder: Application of a Longitudinal Method to Evaluate the Mediating Role of Acceptance, Cognitive Fusion, and Values. Basic and Clinical Neuroscience, 2023 Jul 1;14(4):479–490