Soziale Phobie entsteht ursächlich durch prägenden Kindheitserfahrungen, erlernte Angstmuster oder genetische Veranlagung. Auch Mobbing, Ablehnung oder Demütigung im Erwachsenenalter können Auslöser einer sozialen Angststörung sein. Glücklicherweise ist die Angst vor anderen Menschen heute gut behandelbar, vor allem mit Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie oder auch neurowissenschaftlich basierten Therapieansätzen. Letztere regen die Neuroplastizität Betroffener so an, dass soziale Ängste buchstäblich auf neuronaler Ebene überschrieben werden, ähnlich wie das auch bei der Hypnotherapie der Fall ist.
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Was genau ist eine soziale Phobie?
Soziale Phobiker sind nicht einfach nur schüchtern. Sie leiden unter einer ausgeprägten Angst vor sozialen Situationen, in denen Sie sich der Beurteilung anderer ausgesetzt fühlen. Diese Angst ist so stark, dass der Alltag dadurch massiv einschränkt wird. Anders als bei normaler Schüchternheit leiden Betroffene unter intensiven körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Schwitzen oder Zittern.
Die häufigsten Ursachen der sozialen Phobie
Als Angsttherapeut mit langjähriger Berufserfahrung sehe ich bei der Entstehung der sozialen Phobie meist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Selten ist ein einzelner Faktor allein verantwortlich. Vielmehr handelt es sich um ein Mosaik aus Veranlagung, Erfahrungen und Lernprozessen.
Genetische Veranlagung: Wie viel soziale Angst ist angeboren?
Studien zeigen, dass etwa 30–40% des Risikos für eine Soziale Phobie mit genetischen Faktoren in Verbindung gebracht werden kann. Betroffenen haben in solchen Fällen ein Nervensystem mit höherer Sensitivität geerbt. Dabei handelt es sich um eine natürliche Temperamentseigenschaft, die Forscher als „Verhaltenshemmung“ bezeichnen. Das Gehirn reagiert dann stärker auf neue oder ungewohnte Reize.
Auf neurobiologischer Ebene spielt sich dabei Folgendes ab: Das Stresshormon Cortisol steigt in sozialen Situationen schneller an als üblich. Die Amygdala, unser Angstzentrum im Gehirn, zeigt ebenfalls eine erhöhte Aktivität. Dadurch wird der Körper in einen Kampf oder Fluchtmodus versetzt und zeigt die dafür typischen Symptome wie Herzrasen, Schwitzen oder innere Unruhe.
Eine genetische Veranlagung für soziale Ängste zu haben, bedeutet jedoch nicht, dass man auch zwangsläufig eine soziale Phobie entwickelt. Man ist lediglich etwas anfälliger für bestimmte Trigger und Erfahrungen. Zudem sind die Grenzen zwischen Genetik und Umwelt nicht klar ersichtlich, sondern meist verschwommen. Selbst Experten können oft schwer sagen, ob ein ängstliches Verhalten angeboren ist oder durch Beobachtung erlernt wurde.
Frühkindliche Erfahrungen: Prägende Erlebnisse und ihr Einfluss
Was wir in den ersten Lebensjahren erleben, formt unser soziales Gehirn entscheidend. Sichere Bindungen zu Bezugspersonen bauen Vertrauen auf. Wenn diese Bindungen gestört sind, kann das Grundängste fördern. Kinder, die keine verlässliche emotionale Unterstützung erfahren, entwickeln oft ein unsicheres Selbstbild.
Diese frühen Prägungen legen den Grundstein für spätere soziale Ängste. Sie formen unsere inneren Überzeugungen darüber, wie andere Menschen uns begegnen werden. Das kindliche Gehirn funktioniert wie ein Schwamm. Es saugt alle Erfahrungen auf und bildet daraus neuronale Verbindungen. Diese Verbindungen werden zu automatischen Reaktionsmustern.
Ein Kind, das wiederholt erlebt, dass soziale Kontakte mit Stress oder Ablehnung verbunden sind, entwickelt regelrechte „Angstautobahnen“ im Gehirn. Diese Bahnen werden später bei ähnlichen Situationen sofort aktiviert.
Erziehungsstile: Überbehütung oder ständige Kritik?
Zwei Erziehungsmuster fallen mir bei meinen Patienten mit sozialer Phobie besonders auf:
- Überbehütung: Eltern, die alle Schwierigkeiten von ihren Kindern fernhalten, vermitteln ungewollt: „Du kannst das nicht allein bewältigen.“
- Übermäßige Kritik: Wenn Kinder ständig korrigiert werden, entsteht das Gefühl: „Ich mache immer etwas falsch.“
Beide Erziehungsstile können das Selbstvertrauen in sozialen Situationen nachhaltig schwächen. Wer so erzogen wird, lernt nicht, mit normalen sozialen Herausforderungen umzugehen.
Besonders wichtig: Kinder lernen nicht nur durch direkte Erfahrungen, sondern auch durch Beobachtung ihrer Eltern. Dies nennen Psychologen „Modelllernen“. Wer Eltern hat, die selbst sozial ängstlich sind, hat möglicherweise deren Verhaltensmuster unterbewusst übernommen. Hier ein paar scheinbar harmlose Beispiele, die dennoch ursächlich für eine spätere Sozialphobie verantwortlich sein können. Eltern oder wichtige Bezugspersonen haben:
- bestimmte soziale Situationen wie z.B. Firmenfeiern wiederholt vermieden
- Nervös reagiert, wenn wichtige Telefonaten oder Gespräche anstanden
- sich übermäßig Sorgen machten, was andere über sie denken könnten
- in Gesellschaft zurückhaltend oder angespannt gewirkt
So kann ein Kind auch soziale Angst „erben“, ohne dass Gene im Spiel sind. Es ist oft schwer zu unterscheiden, ob Ihre soziale Angst genetisch bedingt ist oder durch dieses Modelllernen entstanden ist.
Noch komplexer wird es, wenn wir bedenken, dass ängstliche Eltern häufig überbehütend erziehen. So entsteht ein Verstärkerkreislauf: Die genetische Veranlagung trifft auf einen ängstlichen Erziehungsstil, der die Anlage verstärkt.
Negative soziale Erfahrungen: Mobbing, Ablehnung, Demütigung
Traumatische soziale Erlebnisse hinterlassen tiefe Spuren im emotionalen Gedächtnis. Mitunter kann eine einzige schmerzhafte Erfahrung ausreichen, um eine soziale Phobie zu entwickeln. Besonders häufige Auslöser sind:
- Bloßstellung vor anderen
- Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz
- Öffentliches Versagen oder Blamage
- Zurückweisung durch wichtige Bezugspersonen
Wenn jedoch bereits eine negative Erfahrung als Ursache ausreicht, um eine Angststörung zu entwickeln, dann müsste diese doch mit entsprechend starken, positiven Gegenimpulsen auch gut behandelbar sein, oder nicht? Schließlich ist unser Gehirn ja keine Einbahnstraße, die nur auf negative Erfahrungen stark reagiert. Auch extrem positive Erfahrungen haben massiven Einfluss auf unsere grauen Zellen und können überaus heilsam wirken.
In meinem Bestseller „Panikattacken und andere Angststörungen loswerden“ beschreibe ich, wie sie selbst für diese positiven Gegenimpulse sorgen können, und damit nicht nur soziale Angst, sondern buchstäblich jede Angststörung überwinden können. Und das sogar völlig ohne Konfrontationstherapie oder sonstige Expositionsübungen. Wer noch schneller wieder in der Lage sein möchte, soziale Situationen nicht nur zu ertragen, sondern wirklich zu genießen, dem empfehle ich, direkt mit unserer Online-Therapie „Endlich angstfrei!“ zu starten. Darin erwarten Sie neurowissenschaftlich basierte Angst-Stopp-Techniken, die schon sehr vielen unserer Patienten richtig gut und vor allem auch nachhaltig geholfen haben.
Lerntheorie: Wie Angst erlernt und aufrechterhalten wird
Soziale Phobie ist zu großen Teilen ein erlerntes Verhalten. Drei zentrale Lernmechanismen sind beteiligt:
- Klassische Konditionierung: Eine neutrale Situation (z.B. ein Vortrag) wird mit einer negativen Erfahrung (z.B. Blamage) verknüpft. Ihr Gehirn verknüpft dann automatisch „Vortrag = Gefahr“.
- Modelllernen: Sie haben beobachtet, wie andere (oft Eltern) ängstlich in sozialen Situationen reagieren und dieses Verhalten übernommen. Diese Übernahme erfolgt oft unbewusst.
- Operante Konditionierung: Vermeidung sozialer Situationen führt kurzfristig zu Erleichterung, verstärkt aber langfristig die Angst. Ihr Gehirn lernt: „Wenn ich vermeide, fühle ich mich besser“.
Dieses ungünstige Verhalten verfestigt sich mit jeder Wiederholung, bis es zu einem automatisch ablaufenden Reaktionsmuster wird. Ob Sie es glauben oder nicht, diese Lernprozesse formen buchstäblich neuronale Netzwerke im Gehirn.
Doch die gute Nachricht lautet: Was erlernt wurde, kann wieder verlernt werden. Unser Gehirn bleibt zeitlebens formbar – Neuroplastizität nennen Wissenschaftler diese Eigenschaft. Die einmal gebildeten Angstbahnen im Gehirn verschwinden zwar nie vollständig. Aber wir können neue, stärkere Bahnen bilden, die die alten Angstwege überschreiben.
Typische Auslöser: Was soziale Angst im Alltag triggert
In meiner Praxis erlebe ich täglich, wie bestimmte Situationen bei Menschen mit sozialer Phobie regelrecht den „Angstschalter“ im Gehirn umlegen. Stellen Sie sich diese Auslöser wie Knöpfe vor, die – einmal gedrückt – eine ganze Kaskade von Angstreaktionen in Gang setzen.
Ihr Gehirn hat durch frühere Erfahrungen gelernt, bestimmte soziale Situationen als bedrohlich einzustufen. Es hat eine Art „Gefahrenkarte“ angelegt, die automatisch aktiviert wird, sobald Sie mit einem dieser Auslöser konfrontiert werden.
Leistungssituationen (Prüfungen, Vorträge)
Situationen, in denen Ihre Fähigkeiten bewertet werden, zählen zu den stärksten Auslösern. Dazu gehören:
- Vorträge halten
- In Meetings sprechen
- Prüfungssituationen
- Bewerbungsgespräche
- Auftritte vor Publikum
Hier aktiviert Ihr Gehirn den „Notfallmodus“, weil es eine soziale Bewertung als Bedrohung einstuft. Evolutionär betrachtet ergibt das Sinn: Für unsere Vorfahren konnte sozialer Ausschluss lebensbedrohlich sein.
Was in Ihrem Körper passiert: Ihr Nervensystem schaltet blitzschnell auf „Kampf oder Flucht“ um. Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol fluten Ihren Körper. Ihre Amygdala, das Angstzentrum im Gehirn, übernimmt die Kontrolle.
Gleichzeitig wird Ihr präfrontaler Kortex – der Teil Ihres Gehirns, der für rationales Denken zuständig ist – regelrecht „offline“ geschaltet. Daher das Gefühl: „Mein Kopf ist wie leergefegt.“
Diese körperlichen Reaktionen selbst werden oft zu zusätzlichen Angstauslösern. Sie fürchten nicht nur die Situation, sondern auch, dass andere Ihre Angst bemerken könnten.
Soziale Interaktionen (Smalltalk, Partys, Dates)
Informelle Gespräche lösen bei vielen meiner Patienten intensive Angstreaktionen aus. Sie fürchten:
- Nicht interessant genug zu sein
- Nichts sagen zu können (Gesprächspausen)
- Für seltsam oder langweilig gehalten zu werden
- Abgelehnt oder ausgeschlossen zu werden
- Sich zu verhaspeln oder zu stottern
Die Unvorhersehbarkeit dieser Situationen macht sie besonders beängstigend. Es gibt kein festes „Drehbuch“. Sie können sich nicht wie für eine Prüfung vorbereiten.
Im Smalltalk erlebe ich bei meinen Patienten eine Art „Gedankenrennbahn“: Sie analysieren gleichzeitig das Gesagte, überwachen ihre eigenen Reaktionen und versuchen, die nächste Antwort vorzubereiten. Dieses Multitasking überfordert das Gehirn.
Besonders herausfordernd: die ersten Minuten eines Gesprächs. Hier ist die Anspannung am höchsten. Ihr Körper reagiert mit erhöhter Herzfrequenz, flacher Atmung und erhöhter Schweißproduktion.
Was im Gehirn passiert: Ihr Spiegelneuronensystem – zuständig für soziale Resonanz – ist überaktiv. Sie scannen permanent die Gesichter und Reaktionen anderer nach Anzeichen von Ablehnung oder Langeweile.
Beobachtet werden (Essen in der Öffentlichkeit, Schreiben vor anderen)
Das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen, triggert das Angstsystem. Alltägliche Aktivitäten werden zur Herausforderung:
- In der Öffentlichkeit essen
- Vor anderen schreiben oder unterschreiben
- In einem vollen Raum gehen
- An einer Kasse bezahlen
- Telefonate in Anwesenheit anderer führen
Ihr Gehirn fokussiert sich vollständig auf die Angst vor negativer Bewertung. Es verliert den natürlichen Handlungsfluss.
Was neurobiologisch geschieht: Ihr Selbstbeobachtungssystem im Gehirn läuft auf Hochtouren. Sie nehmen sich selbst gleichzeitig von innen und von außen wahr – als würden Sie sich durch die Augen anderer sehen.
Diese erhöhte Selbstaufmerksamkeit stört automatische Bewegungsabläufe. Aktivitäten, die normalerweise unbewusst ablaufen (wie Gehen oder Schlucken), werden plötzlich bewusst gesteuert und dadurch unnatürlich.
Interessanter Fakt: Gehirnscans zeigen, dass bei Menschen mit Sozialer Phobie während solcher Situationen dieselben Hirnareale aktiviert werden, die auch bei körperlichem Schmerz reagieren. Soziale Angst fühlt sich für das Gehirn tatsächlich wie eine physische Bedrohung an!
Im Mittelpunkt stehen
Situationen, in denen alle Augen auf Sie gerichtet sind, verstärken die Angst dramatisch. Dies umfasst:
- Geburtstagsfeiern, bei denen Sie gefeiert werden
- Ehrungen oder Auszeichnungen entgegennehmen
- Ansprachen oder Dankesreden halten
- Im Mittelpunkt einer Geschichte oder Anekdote stehen
- Ansprechen oder Vorstellen in einer Gruppe
Ihr Gehirn interpretiert diese besondere Aufmerksamkeit als potenzielles Risiko für Ihr soziales Überleben. Der archaische Teil Ihres Gehirns kann nicht unterscheiden zwischen „positive Aufmerksamkeit“ und „bedrohliche Aufmerksamkeit“.
Was in solchen Momenten geschieht: Ihr System wird von einer regelrechten „Scheinwerfer-Angst“ erfasst. Sie fühlen sich, als stünden Sie unter gleißendem Licht, das jeden Ihrer vermeintlichen Fehler offenbart.
In meiner therapeutischen Arbeit erlebe ich, wie diese Angst sich oft in typischen körperlichen Symptomen zeigt:
- Ein Gefühl von „Erstarrung“ – wie das sprichwörtliche „Kaninchen vor der Schlange“
- Übermäßiges Erröten (medizinisch: Erythrophobie)
- Zittern in Händen oder Stimme
- Das Gefühl, „neben sich zu stehen“ (Depersonalisation)
Diese Symptome selbst werden dann zu einer zusätzlichen Angstquelle: „Was, wenn die anderen mein Zittern bemerken?“ Ein Teufelskreis beginnt.
Den Teufelskreis der sozialen Phobie verstehen
Die Soziale Phobie wird durch einen sich selbst verstärkenden Kreislauf aufrechterhalten – ich nenne ihn den „Angstkarussell“. Es ist wichtig, diesen Kreislauf zu verstehen, denn hier liegt der Schlüssel zur Veränderung.
Stellen Sie sich den Teufelskreis wie ein Uhrwerk vor, dessen Zahnräder perfekt ineinandergreifen:
- Angstauslöser: Eine soziale Situation steht bevor (z.B. eine Einladung zum Abendessen).
- Negative Gedanken: Ihr Gehirn läuft sofort auf Hochtouren: „Ich werde mich blamieren.“ „Alle werden mich anstarren.“ „Ich werde nichts zu sagen haben.“ Diese Gedanken sind keine rationale Einschätzung, sondern automatische Reaktionen.
- Körperliche Reaktionen: Ihr Körper reagiert auf diese Gedanken, als wäre die Bedrohung bereits real. Es kommt zu Symptomen wie:
- Schwitzen, besonders an Händen, Stirn und Achseln
- Zittern der Hände oder der Stimme
- Erröten des Gesichts und Halses
- Herzrasen und Engegefühl in der Brust
- Mundtrockenheit, erschwertes Schlucken
- Muskelverspannungen, besonders im Nacken
- Konzentrationsschwierigkeiten und „Blackouts“
- Sicherheitsverhalten: Um diese unangenehmen Gefühle zu reduzieren, greifen Sie zu „Schutzmaßnahmen“:
- Sie sprechen leiser oder möglichst wenig
- Sie vermeiden Blickkontakt
- Sie stehen am Rand oder suchen Plätze nahe am Ausgang
- Sie lenken sich mit dem Smartphone ab
- Sie versuchen, „unsichtbar“ zu sein
- Sie sagen in letzter Minute ab
- Sie trinken Alkohol zur „Entspannung“
- Kurzfristige Erleichterung: Die Angst lässt nach, wenn Sie die Situation verlassen oder durch das Sicherheitsverhalten die Anspannung reduzieren können. Diese Erleichterung wirkt als starke Belohnung.
- Langfristige Verstärkung: Hier geschieht etwas Paradoxes – Ihr Gehirn lernt: „Vermeidung = Sicherheit“. Es registriert jedoch nicht, dass Sie der Situation nichts Positives abgewinnen konnten. Stattdessen wird die ursprüngliche Angstverbindung verstärkt.
- Negative Selbstbewertung: Nach der Situation setzt ein destruktiver innerer Dialog ein: „Das war wieder typisch für mich.“ „Ich bin einfach nicht gut mit Menschen.“ Diese Gedanken festigen Ihr negatives Selbstbild.
Dieser Teufelskreis verstärkt sich mit jeder Wiederholung. Die neurologische Erklärung: Mit jeder Aktivierung werden die „Angstbahnen“ im Gehirn stärker myelinisiert – sie werden quasi zu „Autobahnen“, auf denen die Angstreaktionen immer schneller ablaufen.
Die Angst weitet sich oft auf immer mehr Situationen aus. Was anfangs vielleicht nur bei Vorträgen auftrat, kann sich auf Gruppengespräche, dann auf Smalltalk und schließlich sogar auf Einkaufen ausdehnen.
Ein besonders perfides Merkmal dieses Kreislaufs: Je mehr Sie sich auf Ihre Angstsymptome konzentrieren, desto stärker werden sie. Es ist, als würden Sie einen Muskel trainieren – den „Angstmuskel“.
Behandlungsmöglichkeiten einer sozialen Phobie
Eine soziale Angststörung ist gut behandelbar. In meiner Arbeit am Institut für moderne Psychotherapie setze ich auf eine Kombination aus kognitiver Vernhaltenstherapie (KVT), Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), Hypnotherapie und den neusten Erkenntnissen der Neurowissenschaft. Darüber hinaus gibt es natürlich noch weitere Behandlungsmöglichkeiten, mit denen ebenfalls gut Ergebnisse erzielt werden. Wer sie näher darüber informieren möchte, dem empfehle ich meinen Artikel „Soziale Phobie: Therapie & Behandlung dieser Angsterkrankung“.
Zusammenfassung: Ursachen und Auslöser einer Sozialphobie
Soziale Phobie entsteht durch ein Zusammenspiel von:
- Genetischer Veranlagung (30–40%)
- Prägenden Kindheitserfahrungen und Erziehungsstilen
- Traumatischen sozialen Erlebnissen
- Erlernten Angst- und Vermeidungsmustern
Typische Auslöser im Alltag sind:
- Leistungssituationen
- Soziale Interaktionen
- Beobachtet werden
- Im Mittelpunkt stehen
Wichtig: Soziale Ängste sind kein Schicksal, dem man sich ergeben müsste. Mit einer individuell auf Sie abgestimmten Form der Psychotherapie kann eine soziale Angststörung vollständig überwunden werden. Das gilt selbst bei ungünstiger genetischer Veranlagung oder einer langen Angsthistorie.
Häufig gestellte Fragen zur sozialen Phobie
Nein, definitiv nicht. Schüchternheit ist ein Persönlichkeitsmerkmal und oft vorübergehend. Soziale Phobie hingegen ist eine ernsthafte Angststörung, die mit intensiven körperlichen Symptomen und deutlichen Alltagseinschränkungen einhergeht.
Der entscheidende Unterschied: Schüchterne Menschen fühlen sich unwohl, können aber trotzdem soziale Situationen meistern. Menschen mit sozialer Phobie erleben regelrechte Panikzustände und vermeiden soziale Situationen oft vollständig.
Ja, teilweise. Etwa 30–40% des Risikos sind genetisch bedingt. Aber diese genetische Veranlagung bestimmt nicht Ihr Schicksal!
Sie erben keine „soziale Phobie“ direkt, sondern eher ein sensibleres Nervensystem. Ob daraus eine Angststörung entsteht, hängt stark von Ihren Lebenserfahrungen ab. Die Veranlagung ist wie ein unbeschriebenes Blatt – erst Ihre Erfahrungen füllen es mit Inhalt.
Achten Sie auf diese Hauptanzeichen:
- Intensive Angst vor Beurteilung durch andere
- Körperliche Symptome wie Herzrasen, Schwitzen, Zittern in sozialen Situationen
- Vermeidung sozialer Situationen trotz des Wunsches nach Kontakt
- Die Angst beeinträchtigt Ihren Alltag deutlich (Arbeit, Beziehungen)
- Die Symptome bestehen seit mindestens 6 Monaten
Wenn Sie sich darin wiederfinden, sprechen Sie mit einem Arzt oder Psychotherapeuten. Eine genaue Diagnose kann nur ein Fachmensch stellen.
Dies geschieht leider nur selten – ohne Behandlung bleibt eine soziale Phobie meist bestehen oder verschlimmert sich sogar. Der Grund: Die Vermeidung verstärkt die Angst langfristig.
Die gute Nachricht: Mit der richtigen Behandlung sind die Heilungschancen ausgezeichnet! Unser Gehirn bleibt zeitlebens formbar. So wie die Angst erlernt wurde, kann auch ein entspannter Umgang mit sozialen Situationen neu erlernt werden.
Ja, definitiv – obwohl viele Betroffene Alkohol als „Selbstmedikation“ nutzen. Kurzfristig kann Alkohol die Angst tatsächlich lindern. Langfristig geschieht jedoch etwas Gefährliches: Ihr Gehirn lernt, dass es soziale Situationen nur „mit Hilfe“ bewältigen kann. Die Angst wird nicht überwunden, sondern nur überdeckt. Nach dem Alkoholkonsum kehrt sie oft verstärkt zurück.
Erschwerend kommt hinzu: Wenn der Alkohol nachlässt, können Angst und Selbstzweifel noch heftiger werden („Katerstimmung“). Ein Teufelskreis entsteht.
Bei Menschen mit sozialer Phobie zeigen Gehirnscans drei Hauptunterschiede:
- Die Amygdala (unser „Angstzentrum“) reagiert übermäßig stark auf soziale Reize
- Der präfrontale Kortex (zuständig für rationales Denken) kann die Amygdala nicht effektiv regulieren
- Die Verbindungsbahnen für Angstreaktionen sind stärker ausgeprägt – wie eingefahrene Spuren auf einem Waldweg
Das Gute daran: Diese Veränderungen sind nicht in Stein gemeißelt. Durch gezielte Übungen können neue, gesündere Nervenverbindungen entstehen.
Ja, soziale Phobie kann bereits im Kindesalter auftreten, typischerweise ab etwa 8–12 Jahren. Bei Kindern zeigt sie sich oft anders als bei Erwachsenen:
- Weinen oder Wutausbrüche in sozialen Situationen
- Sich an Eltern klammern
- Stummheit außerhalb des eigenen Zuhauses
- Physische Beschwerden vor sozialen Ereignissen (Bauchschmerzen)
Frühe Behandlung ist besonders wichtig. Je länger die Phobie besteht, desto stärker verfestigen sich die Angstbahnen im sich entwickelnden Gehirn.
Die wirksamsten Behandlungen sind:
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) – dieser bewährte und gut erforschte Therapieansatz hilft Ihnen, fehlerhafte Denkmuster zu erkennen und zu verändern
- Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) – lernen, Angstsymptome zu akzeptieren und anders zu bewerten, anstatt dagegen anzukämpfen
- Soziales Kompetenztraining – praktische Übungen für selbstsichereres Auftreten
- Die Bernhardt-Methode – Eine Kombination der wirkungsvollsten Elemente aus KVT, ACT und Hypnotherapie, kombiniert mit neurowissenschaftlichen Angst-Stopp-Techniken der neusten Generation.
Medikamente können anfänglich unterstützend wirken, führen nach neusten Studien aber dazu, dass Betroffene eher wieder Rückfälle erleben. Deshalb verzichten im Institut für moderne Psychotherapie auf Psychopharmaka und nutzen lieber Kraft der Neuroplastizität, um Angststörungen genau so zu bekämpfen, wie sie ursächlich entstanden sind: durch starke Emotionen. Nur dass wir statt negativer auf starke positive Emotionen setzen – und das seit Jahren mit Erfolg.
Disclaimer / Haftungsausschluss
Dieser Artikel soll Sie umfassend informieren und Ihnen neue Perspektiven eröffnen. Er ergänzt, aber ersetzt nicht die individuelle Diagnose oder Behandlung durch medizinisches Fachpersonal. Bei gesundheitlichen Fragen: Holen Sie sich professionelle Hilfe – und nutzen Sie unsere Tipps als kraftvolle Unterstützung.
Wissenschaftliche Studien
- Hoyer, J., Härtling, S., (2019): Soziale Angst verstehen und verändern. 2. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg
- Richter, A., (2019): EMDR bei Sozialen Angststörungen. 1. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart
- Stangier, U., Clark, D., Ehlers, A., (2016): Soziale Angststörung. Fortschritte der Psychotherapie. Band 28). Hogrefe, Göttingen
- Bernhardt, K., (2017): Panikattacken und andere Angststörungen loswerden – Wie die Hirnforschung hilft, Angst und Panik für immer zu besiegen, Ariston, München