Gerade im Kindesalter können Ängste, Zwänge, Tics oder auch Essstörungen ganz plötzlich auftreten. Viele Eltern fühlen sich hilflos, wenn ihre eben noch gesunden Kinder auf einmal ausgeprägte Verhaltensauffälligkeiten an den Tag legen, für die es keinen nachvollziehbaren Grund gibt. In solchen Fällen ist es ratsam, nicht nur psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, sondern vorab überprüfen zu lassen, ob es sich hierbei eventuell um PANS oder PANDAS handelt.
Was bedeutet PANS?
Die Abkürzung PANS steht für „Pediatric Acute-onset Neuropsychiatric Syndrome“ und heißt übersetzt „plötzliches Auftreten neuropsychiatrischer Syndrome im Kindes- oder Jugendalter“. Gemeint sind hierbei Zwangsstörungen und/oder Essstörungen, die zusätzlich von wenigstens zwei der folgenden Symptome begleitet werden:
- Häufiger Harndrang und/oder Bettnässen
- Veränderte Handschrift
- Auffällige Bewegungsmuster oder Tics (motorische Anomalien)
- Plötzliche Trennungsängste oder innere Unruhe
- Zurückfallen in frühkindliche Verhaltensmuster
- Abrupte Verschlechterung der schulischen Leistung
- Reizbarkeit, Aggression oder stark ablehnendes Verhalten
- Unerklärliche körperliche Beschwerden
- Schlafstörungen
Verursacht wird PANS durch eine bakterielle oder virale Infektion, zum Beispiel durch Streptokokken oder Influenza-Viren. Und auch eine Sinusitis, eine Mycoplasma-Pneumonie oder eine Infektion der oberen Atemwege kommt als Auslöser infrage. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen kann so eine Infektion eine starke Immunreaktion auslösen, in deren Verlauf autoimmune Antikörper bis ins Gehirn vordringen. Geschieht dies, kommt es zu einer Reihe von psychischen und körperlichen Problemen, die nur dann abklingen, wenn die eigentliche Ursache behandelt wird, nämlich die entzündlichen Prozesse in Körper und Gehirn.
Was bedeutet PANDAS?
Die Abkürzung PANDAS hat leider nichts mit den niedlichen Bären zu tun, sondern steht für „Pediatric Autoimmune Neuropsychiatric Disorders Associated with Streptococcal infections“ und heißt übersetzt „autoimmune neuropsychiatrische Störungen im Kindes- oder Jugendalter in Verbindung mit Streptokokken-Infektionen“. Während bei PANS also sowohl virale als auch bakterielle Infektionen als Auslöser infrage kommen, handelt es sich bei PANDAS immer um eine bakterielle Infektion, und zwar mit Streptokokken der Gruppe A. Typisch für dieses Krankheitsbild ist ebenfalls das plötzliche Auftreten von Zwängen und Zwangsgedanken, meist unmittelbar nach einer Halsentzündung, einer Scharlach-Erkrankung oder seltsamen Hautausschlägen. Weitere Kriterien, die den Verdacht auf PANDAS erhärten, sind:
- Das Auftreten mehrerer ungewöhnlicher Tics
- Die Symptome treten zwischen dem 3. Lebensjahr und der Pubertät auf
- Es bestehen neurologische Auffälligkeiten und/oder seltsame Bewegungsmuster
- Die Zwänge und Tics treten episodisch auf. Das heißt, sie kommen plötzlich, verschwinden nach einer Weile wieder und tauchen dann erneut auf.
Ist auch mein Kind von PANDAS betroffen?
Jeff Szymanski, einer der klinischen Ausbilder für Psychologie an der Harvard Medical School, hat bereits 2012 in einem sehr lesenswerten Fachartikel beschrieben, wie ein typischer Krankheitsverlauf bei PANDAS aussehen kann. Frei übersetzt heißt es dort:
Stellen Sie sich vor, Sie wären Elternteil eines sechsjährigen Kindes. Es hatte kürzlich eine Halsentzündung, fühlt sich aber schon besser. Eines Morgens werden Sie jedoch vom Schreien des Kindes geweckt. Es lässt sich nicht beruhigen und hat auf einmal panische Angst vor Keimen. Sie verstehen nicht, was vorgeht, zumal das Kind auch nicht mehr zur Schule gehen will, was ebenfalls ungewöhnlich ist. Sein Verhalten wird in den kommenden Tagen immer schlimmer. Es wäscht sich die Hände, bis diese bluten, und es verweigert Essen, weil dieses kontaminiert sein könnte.
Wenn Ihnen diese Beschreibung bekannt vorkommt, ist es durchaus möglich, dass auch bei Ihrem Kind eine Streptokokkeninfektion für das plötzliche Auftreten einer Zwangsstörung verantwortlich ist. Doch die gute Nachricht lautet: Bei einer frühzeitigen Behandlung mit einem Antibiotikum verschwindet die Zwangsstörung meist genauso schnell, wie sie aufgetreten ist.
Es gibt aber auch schlechte Nachrichten. Vielen Ärzten und Psychotherapeuten ist PANS und PANDAS noch kein Begriff. Das führt mitunter dazu, dass versucht wird, das Problem mit kognitiver Verhaltenstherapie und/oder Psychopharmaka in den Griff zu bekommen, statt mit Penicillin einfach nur die bakterielle Infektion zu beseitigen. Dabei geht unter Umständen wertvolle Zeit verloren, in der sich das zwanghafte Verhalten neuronal mehr und mehr automatisiert.
Deshalb lautet mein Tipp: Falls Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind von PANS oder PANDAS betroffen sein könnte, zögern Sie nicht und suchen Sie sich einen Mediziner, der sich auf diesem Gebiet auskennt. Die meisten Haus- oder Kinderärzte haben jedoch leider noch nie von diesen Krankheiten gehört und winken deshalb oft nur ab, wenn man sie darauf anspricht. Da es aber um die Gesundheit ihres Kindes geht, lohnt es sich, hartnäckig zu bleiben, die entsprechenden Untersuchungen einzufordern oder notfalls sogar den Arzt zu wechseln.
Disclaimer / Haftungsausschluss
Dieser Artikel soll Sie umfassend informieren und Ihnen neue Perspektiven eröffnen. Er ergänzt, aber ersetzt nicht die individuelle Diagnose oder Behandlung durch medizinisches Fachpersonal. Bei gesundheitlichen Fragen: Holen Sie sich professionelle Hilfe – und nutzen Sie unsere Tipps als kraftvolle Unterstützung.