Ohne Wartezeit auf Therapie

Nahaufnahme einer blonden Saengerin auf der Buehne, die verlegen Applaus entgegennimmt. Sie hat ein unglueckliches Gesicht wegen Impostor Syndrom.

Impostor-Syndrom: Unbegründete Angst als Hochstapler entlarvt zu werden

Vom Impostor-Syndrom spricht man, wenn erfolgreiche Menschen von Selbstzweifeln geplagt werden und ihre erbrachten Leistungen nicht anerkennen können. Die unbegründete Angst, als „Hochstapler“ entlarvt zu werden, führt oft zu chronischem Stress oder anderen psychischen Problemen.

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Was genau ist das Impostor-Syndrom (Hochstapler-Syndrom)?

Das Impostor-Syndrom beschreibt ein Gefühlsmuster, bei dem Menschen trotz offensichtlicher Erfolge und Kompetenzen nicht an die eigenen Fähigkeiten glauben können. Sie fühlen sich wie Betrüger, die ihre Umgebung täuschen und befürchten ständig, „aufzufliegen“.

Wichtig zu wissen: Das Impostor-Syndrom ist keine psychische Erkrankung im klinischen Sinne, sondern ein psychologisches Phänomen. Es ist auch kein Zeichen von Schwäche – im Gegenteil: Gerade leistungsstarke, erfolgreiche und kreative Menschen sind häufig betroffen. In meiner therapeutischen Arbeit begegne ich regelmäßig Führungskräften, Künstlern und Akademikern, die innerlich an ihren Fähigkeiten zweifeln, während ihr Umfeld sie für ihre Leistungen bewundert.

Impostor-Syndrom erkennen: Symptome & Anzeichen des Hochstapler-Syndroms

Das Impostor-Syndrom zeigt sich nicht bei jedem Menschen auf die gleiche Weise, aber es gibt charakteristische Denk- und Verhaltensmuster, die ich in meiner therapeutischen Arbeit immer wieder beobachte. Diese Muster können sich in verschiedenen Lebensbereichen zeigen – beruflich, akademisch, künstlerisch oder sogar in persönlichen Beziehungen.

Folgende Anzeichen könnten darauf hindeuten, dass Sie vom Impostor-Syndrom betroffen sein könnten:

  • Ständige Selbstzweifel trotz objektiver Erfolge: Sie haben einen Universitätsabschluss mit Auszeichnung? Eine Beförderung erhalten? Ein Projekt erfolgreich abgeschlossen? Trotzdem denken Sie: „Das war nicht wirklich meine Leistung“ oder „Beim nächsten Mal werde ich scheitern.“
  • Die Angst, „entlarvt“ zu werden: Sie leben in ständiger Sorge, dass andere erkennen könnten, dass Sie „nicht gut genug“ sind. Diese Angst kann zu chronischem Stress und Anspannungsgefühlen führen.
  • Erfolgsattribution nach außen: Sie erklären Ihre Erfolge mit externen Faktoren wie Glück, Zufall, guten Umständen oder der Hilfe anderer. „Ich hatte einfach einen guten Tag“ oder „Die Aufgabe war leicht“ sind typische Gedanken.
  • Internalisierung von Misserfolgen: Während Erfolge externalisiert werden, nehmen Sie Misserfolge sehr persönlich. „Das beweist, dass ich es nicht kann“ oder „Ich bin einfach nicht intelligent genug“ sind typische Reaktionen auf Rückschläge.
  • Übermäßige Vorbereitung und Arbeitsaufwand: Um bloß nicht als inkompetent aufzufallen, arbeiten Sie mehr als nötig, bereiten sich übermäßig vor oder vermeiden bestimmte Herausforderungen komplett.
  • Perfektionismus als Schutzschild: Sie setzen sich unrealistisch hohe Standards, weil Sie glauben, dass selbst kleinste Fehler Ihre vermeintliche Unfähigkeit entlarven könnten. Die neurobiologische Folge: Ihr Gehirn steht unter Dauerstress.
  • Schwierigkeiten, Komplimente anzunehmen: Wenn jemand Ihre Arbeit lobt, fühlen Sie sich unwohl oder denken sogar: „Wenn die wüssten, wie es wirklich ist…“ Sie relativieren positive Rückmeldungen oder werten sie innerlich ab.
  • Vergleichsdenken: Sie vergleichen sich ständig mit anderen und kommen dabei zum Schluss, dass diese kompetenter, intelligenter oder talentierter sind. Besonders in sozialen Medien kann dieses Vergleichsdenken verstärkt werden.
  • Selbstsabotage: In manchen Fällen kann das Impostor-Syndrom dazu führen, dass Sie sich selbst sabotieren – etwa indem Sie Aufgaben aufschieben oder Chancen nicht ergreifen, um das „unvermeidliche Scheitern“ zu vermeiden.
Goldener Oskar als Auszeichnung fuer hervorragende Leistung in einer Hand, im Hintergrund applaudierende Menschen in eleganter Garderobe. Symbol für Erfolg und die ueberwindung des Impostor Syndroms.

Prominente mit Impostor-Syndrom

Es kann ermutigend sein zu wissen, dass selbst Menschen auf dem Gipfel ihrer Karriere mit dem Impostor-Syndrom kämpfen. Hier drei besonders prominente Beispiele:

  1. Der mit mehreren Oscars ausgezeichnete Schauspieler Tom Hanks hat in Interviews offen darüber gesprochen, dass er sich manchmal fragt, wann andere entdecken werden, dass er ein „Betrüger“ ist. „In meinem Fall“, so Hanks, „dachte ich immer, dass jeder im Raum klüger ist als ich.“
  2. Auch Michelle Obama, die ehemalige First Lady der USA, beschrieb in ihrer Autobiografie „Becoming“, wie sie sich fragte: „Bin ich gut genug?“ – selbst als sie an der Princeton University studierte.
  3. Die Erfolgsautorin Maya Angelou gestand einmal: „Ich habe elf Bücher geschrieben, aber jedes Mal denke ich: ‚Oh nein, jetzt werden sie mich entlarven‘.“

Das Impostor-Syndrom trifft also nicht nur „gewöhnliche“ Menschen, sondern auch jene, die in den Augen der Öffentlichkeit den Gipfel des Erfolgs erreicht haben. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern paradoxerweise oft ein Begleiter von Menschen mit hohem Potenzial.

Impostor-Selbsttest: Erkennen Sie sich wieder?

Um besser einschätzen zu können, ob und in welchem Ausmaß Sie vom Impostor-Syndrom betroffen sein könnten, habe ich einen kurzen Selbsttest zusammengestellt. Beantworten Sie die folgenden Fragen so ehrlich wie möglich mit „Ja“ oder „Nein“:

  • Schreiben Sie Ihre Erfolge überwiegend externen Faktoren zu – wie Glück, gute Timing oder die Hilfe anderer?
  • Haben Sie das Gefühl, dass Sie irgendwann als „Schwindler“ enttarnt werden könnten?
  • Fällt es Ihnen schwer, Komplimente oder positive Rückmeldungen anzunehmen, ohne sie innerlich abzuwerten?
  • Vergleichen Sie sich häufig mit anderen und kommen dabei zum Schluss, dass diese besser, intelligenter oder talentierter sind als Sie?
  • Bereiten Sie sich übermäßig vor oder arbeiten unverhältnismäßig viel, um ja nicht negativ aufzufallen?
  • Führen Sie berufliche oder persönliche Rückschläge hauptsächlich auf Ihre eigene Unfähigkeit zurück?
  • Befürchten Sie oft, die Erwartungen anderer nicht erfüllen zu können?
  • Haben Sie Schwierigkeiten, sich Ihre eigenen Erfolge und Fähigkeiten einzugestehen?
  • Vermeiden Sie manchmal Herausforderungen aus Angst zu versagen, obwohl Sie objektiv betrachtet gut qualifiziert wären?
  • Zweifeln Sie an Ihren Fähigkeiten, obwohl andere Ihnen regelmäßig positive Rückmeldung geben?

Auswertung:

1–3 „Ja“-Antworten:

Leichte Tendenz zum Impostor-Syndrom. In bestimmten Situationen könnten Sie an sich zweifeln, aber diese Gefühle beeinträchtigen wahrscheinlich nicht stark Ihr tägliches Leben.

4–7 „Ja“-Antworten:

Mittlere Ausprägung des Impostor-Syndroms. Ihre Selbstzweifel könnten Sie daran hindern, Ihr volles Potenzial zu entfalten oder neue Herausforderungen anzunehmen.

8–10 „Ja“-Antworten:

Starke Ausprägung des Impostor-Syndroms. Diese Denkmuster beeinflussen vermutlich viele Ihrer Entscheidungen und können zu erheblichem psychischen Stress führen.

Wichtig: Dieser Test ersetzt keine professionelle psychologische Beratung oder Diagnostik. Er dient lediglich als erster Anhaltspunkt für Ihre Selbstreflexion.

Laechelnde, selbstbewusste jungen Frau im grauen Hosenanzug vor einer Gruppe von Geschaeftsleuten. Thema: Ueberwindung des Impostor-Syndroms.

Mögliche Ursachen: Woher kommt das Gefühl, ein Hochstapler zu sein?

Das Impostor-Syndrom entsteht nicht über Nacht, sondern entwickelt sich meist über Jahre hinweg durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Wenn wir verstehen, woher diese Gefühle kommen, können wir gezielter an ihrer Überwindung arbeiten. Aus neurobiologischer Sicht bilden sich dabei bestimmte Denkmuster und neuronale Verknüpfungen, die sich mit der Zeit verstärken – aber auch wieder verändern lassen. Die wichtigsten Einflussfaktoren sind:

Familiäre Prägung und frühe Erfahrungen

Unsere frühen Lebensjahre haben einen besonders starken Einfluss auf unser Selbstbild. Wurden in Ihrer Kindheit vor allem Leistungen anerkannt und gelobt, während andere Aspekte Ihrer Persönlichkeit weniger Beachtung fanden? Gab es einen besonders erfolgreichen Geschwisterteil, mit dem Sie häufig verglichen wurden? Oder erlebten Sie widersprüchliche Botschaften, etwa wenn Ihre Leistungen einerseits gelobt, andererseits aber als selbstverständlich betrachtet wurden? In meiner therapeutischen Arbeit sehe ich häufig, dass Menschen mit Impostor-Syndrom aus Familien kommen, in denen entweder sehr hohe Leistungserwartungen herrschten oder in denen Erfolge nicht angemessen gewürdigt wurden. Das kindliche Gehirn lernt dann: „Ich muss immer mehr leisten, um anerkannt zu werden“ oder „Meine Leistungen sind nie gut genug“.

Gesellschaftlicher und kultureller Druck

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, die Erfolg, Status und öffentliche Anerkennung häufig überbetont. Soziale Medien verstärken diesen Effekt noch, indem sie uns ständig mit den (scheinbaren) Erfolgen anderer konfrontieren. Besonders stark kann dieser Druck auf Menschen wirken, die zu einer Minderheit gehören oder in Bereichen arbeiten, in denen sie unterrepräsentiert sind. Studien zeigen, dass Frauen in männerdominierten Berufen, Menschen mit Migrationshintergrund oder Personen aus bildungsfernen Elternhäusern, die in akademische Kreise aufsteigen, häufiger vom Impostor-Syndrom betroffen sind. Sie fühlen sich oft als „Außenseiter“, die beweisen müssen, dass sie „dazugehören“.

Persönlichkeitsmerkmale und kognitive Muster

Bestimmte Persönlichkeitseigenschaften können die Entwicklung des Impostor-Syndroms begünstigen. Dazu gehören:

    • Ein ausgeprägter Perfektionismus
    • Die Tendenz, sich mit anderen zu vergleichen
    • Ein hohes Verantwortungsbewusstsein
    • Eine ausgeprägte Selbstreflexion

Diese Eigenschaften sind an sich wertvoll und können zu großen Erfolgen führen. Problematisch werden sie erst, wenn sie in übermäßige Selbstkritik und Selbstzweifel umschlagen. Aus neurobiologischer Sicht entsteht dabei ein Teufelskreis: Das Gehirn wird hypersensibel für vermeintliche „Beweise“ der eigenen Unzulänglichkeit, während es Erfolge herunterspielt oder ignoriert.

Neue Lebensumstände und Transitionen

Besonders in Umbruchphasen (Jobwechsel, Beförderungen, neue Aufgaben, Umzug in ein anderes Land) kann das Gefühl auftreten, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein. Neurobiologisch betrachtet befindet sich unser Gehirn in solchen Phasen in einem Zustand erhöhter Plastizität – es bildet neue Verbindungen und passt sich an. In dieser Phase der Unsicherheit können sich Impostor-Gefühle leicht manifestieren, da wir tatsächlich neue Fähigkeiten erwerben müssen und uns in ungewohntem Terrain bewegen.

Frühere Erfahrungen mit Scheitern oder Kritik

Manchmal können einzelne prägende Erlebnisse, in denen wir Kritik, Ablehnung oder Misserfolg erfahren haben, langfristige Spuren hinterlassen. Unser Gehirn ist darauf programmiert, negative Erfahrungen besonders stark zu speichern – ein evolutionärer Mechanismus, der uns ursprünglich vor Gefahren schützen sollte, heute aber oft überschießt und zu übermäßiger Vorsicht führt.

Ich beobachte in meiner Arbeit, dass besonders das Gehirn von sensiblen, empathischen und intelligenten Menschen zum Impostor-Denken neigt – also gerade jene Menschen, die oft besondere soziale, kreative und analytische Fähigkeiten besitzen. Das ist kein Zufall: Wer viel reflektiert und sich hohe Standards setzt, entwickelt auch ein feines Gespür für potenzielle Schwächen oder Verbesserungsmöglichkeiten. Dieses Gespür ist grundsätzlich wertvoll, kann aber in Selbstzweifel umschlagen, wenn es nicht durch ein stabiles Selbstwertgefühl ausgeglichen wird.

Eine junge Frau mit Brille sitzt an einem Holztisch und schreibt in ein offenes Notizbuch. Daneben eine Kaffeetasse, Buecher und Stifte. Sie arbeitet mit einem Erfolgstagebuch gegen ihr Impostor-Syndrom an.

Wege aus dem Selbstzweifel: Was hilft gegen das Impostor-Syndrom?

Der Weg zur Veränderung beginnt mit dem Erkennen und Benennen des Problems. Dieser erste Schritt mag einfach klingen, ist aber tatsächlich ein neurobiologischer Wendepunkt: Sobald Sie Ihre Gedanken und Gefühle bewusst wahrnehmen und benennen, aktivieren Sie Ihren präfrontalen Cortex – jenen Teil des Gehirns, der für bewusste Entscheidungen und die Neubewertung emotionaler Reaktionen zuständig ist.

Wer beim Lesen der bisherigen Zeilen gedacht hat: „Das klingt nach mir“, der hat bereits den ersten wichtigen ersten Schritt getan. Machen Sie sich bewusst: Sie sind nicht allein mit diesem Gefühl, und es handelt sich um ein weit verbreitetes Phänomen, das viele erfolgreiche Menschen betrifft.

In meiner therapeutischen Arbeit erlebe ich immer wieder, wie befreiend es für Klienten ist zu erfahren, dass ihre Selbstzweifel einen Namen haben und dass sie nicht die Einzigen sind, die so fühlen. Dieser Moment der Erkenntnis schafft oft eine spürbare Erleichterung – fast so, als würde ein schwerer Rucksack von den Schultern fallen.

„Als ich verstanden habe, dass ich nicht ‚verrückt‘ bin, sondern unter einem bekannten Phänomen leide, konnte ich zum ersten Mal seit Jahren wieder durchatmen“, berichtete mir eine Klientin, eine erfolgreiche Unternehmerin, die trotz ihres florierenden Geschäfts ständig befürchtete, als „Betrügerin“ entlarvt zu werden.

Erfolge bewusst wahrnehmen und internalisieren

Unser Gehirn ist darauf trainiert, negative Erfahrungen stärker wahrzunehmen als positive. Dieser „Negativity Bias“ hatte in der Evolutionsgeschichte einen wichtigen Überlebenswert: Wer potenzielle Gefahren besonders gut im Gedächtnis behielt, überlebte mit größerer Wahrscheinlichkeit.

In der modernen Welt und besonders im Kontext des Impostor-Syndroms wirkt dieser Mechanismus jedoch oft kontraproduktiv. Die gute Nachricht: Dank der Neuroplastizität – der Fähigkeit unseres Gehirns, sich lebenslang zu verändern und anzupassen – können wir aktiv gegensteuern und neue, positive neuronale Pfade bahnen. Hier einige hochwirksame Übungen:

  1. Das Erfolgstagebuch: Führen Sie ein Erfolgstagebuch, in dem Sie täglich mindestens einen kleinen Erfolg notieren – sei es ein gut gemeistertes Gespräch, eine gelöste Aufgabe oder ein Moment der Selbstfürsorge.
  2. Die Erfolgsattribution: Schreiben Sie zu jedem Erfolg, welchen konkreten Anteil Sie daran hatten. Statt „Das Projekt war erfolgreich“ formulieren Sie: „Ich habe das Projekt zum Erfolg geführt, indem ich strukturiert vorgegangen bin und das Team gut koordiniert habe.“
  3. Die aktive Formulierung: Verwenden Sie „Ich“-Sätze und aktive Verben: „Ich habe erreicht…“ statt „Es wurde geschafft …“. Diese sprachliche Nuance hat einen nachweisbaren Effekt auf die neuronale Verarbeitung von Erfolgserlebnissen.
  4. Das regelmäßige Review: Lesen Sie Ihre Erfolgsnotizen mindestens einmal pro Woche durch. Diese Wiederholung ist entscheidend für die Bahnung neuer neuronaler Verbindungen. In meiner Praxis empfehle ich, dies zu einem festen Ritual zu machen – vielleicht sonntags bei einer Tasse Tee oder an einem anderen ruhigen Moment der Woche.
  5. Der Erfolgsanker: Wählen Sie ein kleines Symbol oder eine Geste, die Sie mit Ihren Erfolgen verknüpfen. Es könnte ein besonderer Stein sein, den Sie in der Tasche tragen, oder eine einfache Berührung Ihres Handgelenks. Bei jedem Erfolg aktivieren Sie diesen „Anker“. Mit der Zeit wird allein diese Geste positive Gefühle und Selbstvertrauen auslösen – ein klassisches Beispiel für die Konditionierung neuronaler Netzwerke.

Diese Übungen mögen einfach erscheinen, haben aber eine tiefgreifende Wirkung: Sie programmieren buchstäblich Ihr Gehirn um, indem sie neue neuronale Verbindungen schaffen und verstärken. Mit jeder Wiederholung festigt sich ein positives Selbstbild ein wenig mehr.

Ein Klient, ein Wissenschaftler mit beeindruckender Publikationsliste, berichtete mir nach drei Monaten regelmäßiger Übung: „Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, dass meine Erfolge wirklich meine sind. Nicht Glück, nicht Zufall – sondern das Ergebnis meiner Fähigkeiten und meiner Arbeit.“

Realistische Maßstäbe setzen: Den inneren Perfektionisten zähmen

Perfektionismus ist häufig ein treuer Begleiter des Impostor-Syndroms. Aus neurobiologischer Sicht hängt dieses Muster oft mit einer Überaktivität des anterioren cingulären Cortex zusammen – einem Gehirnbereich, der unter anderem für die Fehlererkennung zuständig ist. Bei Perfektionisten scheint dieser „Fehleralarm“ besonders empfindlich eingestellt zu sein.

Diese vier evidenzbasierten Strategien können helfen, diesen inneren Perfektionisten zu zähmen:

  1. Die 80/20-Regel anwenden: Erfolgreiches Arbeiten bedeutet oft, sich auf die wichtigsten 20% der Aufgaben zu konzentrieren, die 80% des Ergebnisses bringen. Fragen Sie sich: „Muss dieser Bericht/diese Präsentation/dieses Projekt wirklich perfekt sein, oder ist ‚gut genug‘ hier tatsächlich gut genug?“
  2. Die Perspektive eines wohlwollenden Freundes einnehmen: Unser Gehirn bewertet eigene und fremde Leistungen in unterschiedlichen neuronalen Netzwerken. Nutzen Sie diesen Effekt, indem Sie sich fragen: „Was würde ich einem Freund raten, der in meiner Situation ist? Wie würde ich seine Leistung beurteilen?“ – und wenden Sie diese freundlichere Perspektive auf sich selbst an.
  3. Experimente mit bewusster Unvollkommenheit: Üben Sie in weniger wichtigen Situationen bewusst, etwas „nur“ gut statt perfekt zu machen. Dies kann zunächst Unbehagen auslösen, hilft aber dem Gehirn zu lernen, dass die gefürchteten katastrophalen Folgen ausbleiben.
  4. Die Fehlerfreundlichkeit kultivieren: Führen Sie ein „Lerntagebuch“ statt eines Fehlertagebuchs. Notieren Sie nicht nur, was nicht optimal lief, sondern vor allem, was Sie daraus gelernt haben und wie Sie es beim nächsten Mal anders machen würden.

Ein hochrangiger Manager, mit dem ich arbeitete, erzählte mir: „Ich habe jahrelang geglaubt, dass mein Perfektionismus der Schlüssel zu meinem Erfolg ist. Heute weiß ich, dass er mich tatsächlich ausgebremst hat. Seit ich mir erlaube, auch mal nur ‚gut genug‘ zu sein, bin ich nicht nur entspannter, sondern tatsächlich auch erfolgreicher.“

Sprechen Sie darüber: Wenn das Verborgene ans Licht kommt

Das Impostor-Syndrom gedeiht im Verborgenen wie eine Pflanze im dunklen Keller. Es nährt sich von Isolation und dem Glauben, dass Sie der einzige Mensch sind, der sich so fühlt. Sobald wir unsere Selbstzweifel aussprechen und teilen, verlieren sie einen großen Teil ihrer Macht über uns.

Neurobiologisch betrachtet geschieht hier etwas Faszinierendes: Durch das Aussprechen und den sozialen Austausch aktivieren wir andere Hirnareale als beim einsamen Grübeln. Der präfrontale Cortex, unser „vernünftiges Gehirn“, erhält wieder mehr Einfluss gegenüber dem limbischen System, das für emotionale Reaktionen zuständig ist.

Praktische Schritte könnten sein:

  • Vertrauen Sie sich einem Freund oder Kollegen an: Sie werden überrascht sein, wie viele Menschen ähnliche Gefühle kennen. Dieser Austausch normalisiert Ihre Erfahrung und reduziert die Scham.
  • Finden Sie eine Gemeinschaft: Online-Foren, Gruppencoachings oder Workshops zum Thema Selbstwert können wertvolle Unterstützung bieten. Das Gefühl, nicht allein zu sein, ist oft der erste Schritt zur Heilung.
  • Erwägen Sie professionelle Unterstützung: Eine Therapie oder ein Coaching kann helfen, tiefer liegende Ursachen zu erkennen und nachhaltig zu bearbeiten. Besonders wirksam sind hier kognitive Verhaltenstherapie und achtsamkeitsbasierte Ansätze, die direkt an den Denkmustern ansetzen.

Eine Klientin, eine Ärztin, beschrieb mir ihre Erfahrung so: „Als ich zum ersten Mal in unserer Intervisionsgruppe von meinen Selbstzweifeln erzählte, geschah etwas Unglaubliches. Fast alle Kollegen nickten zustimmend! Diese brillanten Menschen, zu denen ich aufgeschaut hatte, fühlten genau wie ich. Diese Erkenntnis war so befreiend wie nichts zuvor.“

Die offene Kommunikation über unsere inneren Erfahrungen schafft im Gehirn neue Verbindungen zwischen dem „gefühlten Ich“ und dem „tatsächlichen Ich“ – ein wichtiger Schritt zur Integration eines realistischen Selbstbildes.

Fokus auf den Prozess, nicht nur das Ergebnis: Der Weg ist das Ziel

Menschen mit Impostor-Syndrom neigen dazu, nur das Endergebnis zu bewerten und den zurückgelegten Weg, die Anstrengung und die Entwicklung zu ignorieren. Diese Fixierung auf das Endresultat ist problematisch, denn sie macht unseren Selbstwert abhängig von etwas, das oft nicht vollständig in unserer Kontrolle liegt.

Stellen Sie sich vor, unser Gehirn ist wie ein Garten: Wir können zwar die Samen pflanzen und den Boden pflegen, aber das Wachstum selbst folgt seinem eigenen Rhythmus. Der erfahrene Gärtner weiß, dass er nicht jeden Tag an der Pflanze ziehen kann, um sie zum Wachsen zu bringen. Stattdessen konzentriert er sich auf die Pflege, das Gießen, das Düngen, also den Prozess.

Praktische Ansätze zur Prozessorientierung:

  • Tägliche Würdigung der Anstrengung: Nehmen Sie sich am Ende des Tages einen Moment Zeit, um zu reflektieren, welche Schritte Sie unternommen haben – unabhängig vom Ergebnis. „Heute habe ich drei Stunden konzentriert an diesem Problem gearbeitet“ ist eine wertvolle Erkenntnis, selbst wenn die Lösung noch nicht gefunden wurde.
  • Die „Drei gute Dinge“-Übung: Notieren Sie jeden Abend drei Dinge, die heute gut gelaufen sind – und Ihren Anteil daran. Diese einfache Übung hat in wissenschaftlichen Studien erstaunliche Effekte auf das Wohlbefinden und Selbstwertgefühl gezeigt.
  • Feiern Sie Meilensteine: Teilen Sie große Projekte in überschaubare Etappen ein und würdigen Sie das Erreichen jeder einzelnen. Unser Gehirn braucht diese kleinen „Belohnungsmomente“, um Motivation und Selbstvertrauen aufzubauen.
  • Die Fortschrittskurve beachten: Führen Sie ein „Fortschrittstagebuch“, in dem Sie regelmäßig festhalten, wo Sie vor einem Monat, einem Jahr standen. So wird Entwicklung sichtbar, die im Alltag oft übersehen wird.

Als ich vor 12 Jahren mit der Bernhardt-Methode einen neurowissenschaftlichen Ansatz entwickelt habe, um Angststörungen auch ohne Konfrontationstherapie schnell und nachhaltig zu überwinden, ist mir etwas Wichtiges aufgefallen: Selbstbewusstsein, Zufriedenheit und psychische Gesundheit hängen maßgeblich davon ab, wie wir unser neuronales Belohnungssystem im Gehirn aktivieren. Es ist die Art, wie wir innere Dialoge führen, unsere Ziele visualisieren und welchen Bereichen unseres Lebens wir besondere Achtsamkeit zukommen lassen.

Auch wenn das Impostor-Syndrom nicht zu den Angsterkrankungen zählt, so sind die neurophysiologischen Prozesse doch ganz ähnlich, wie bei der Entstehung einer Angststörung. Sprich, wenn es binnen weniger Wochen möglich ist, eine Agoraphobie, eine soziale Phobie oder auch eine Panikstörung zu überwinden, dann gelingt es mit derselben Methode erst recht, das Hochstapler-Syndrom loszuwerden.

Mentale Techniken nutzen: Das Gehirn als formbares Instrument

Unser Gehirn ist ein erstaunlich anpassungsfähiges Organ. Es hat die Fähigkeit, sich lebenslang zu verändern und umzustrukturieren. Der Fachausdruck für dieses kleine Wunder lautet „Neuroplastizität“. Um zu begreifen, welches Potential sich hinter diesem Wort verbirgt, stellen Sie sich Ihr Gehirn wie einen Muskel vor: Je häufiger Sie bestimmte Gedankenwege nutzen, desto stärker werden sie. Wenn Sie jahrelang den Pfad der Selbstzweifel gegangen sind, erscheint er Ihnen wie eine breite, bequeme Straße. Die gute Nachricht: Sie können bewusst neue Wege anlegen und ausbauen! Die Bernhardt-Methode nutzt verschiedene Techniken, um diesen Prozess zu beschleunigen:

  • Gedanken-Stopp-Technik: Wenn Sie sich dabei ertappen, wie Ihr Gedankenkarussell einen Selbstzweifel nach dem anderen liefert, achten Sie mal nicht auf den Inhalt Ihrer Gedanken, sondern auf die Struktur. Wie herum kreist das Gedankenkarussell in Ihrem Kopf. Falls Sie spontan eine Drehrichtung identifizieren können, machen Sie sich doch mal den Spaß und stellen sich vor, das Gedankenkarussell würde sich andersherum drehen. Nicht wenige unserer Patienten sind verblüfft, wie einfach sich mit diesem kleinen Trick die negative Gedankenspirale stoppen lässt und angenehme Ruhe im Kopf einkehrt.
  • Die Umrahmungstechnik (Refraiming): Nehmen Sie ein belastendes Ereignis und suchen Sie aktiv nach einem anderen Blickwinkel. Wenn Sie zum Beispiel bei einer Präsentation ins Stocken geraten sind, könnten Sie das umrahmen als: „Ich habe meinem Publikum gezeigt, dass ich authentisch bin und nicht perfekt sein muss.“
  • Ankertechniken: Verknüpfen Sie positive Gefühle und Erinnerungen mit einer einfachen körperlichen Geste – zum Beispiel indem Sie Daumen und Zeigefinger zusammenführen. Wenn Sie diese Geste später in einer herausfordernden Situation wiederholen, aktivieren Sie damit die gespeicherten positiven Emotionen. Diese Technik nutzt die Kraft der klassischen Konditionierung, die Pawlow vor über 100 Jahren entdeckte, und wendet sie auf unsere Gedankenwelt an.
  • Visualisierungsübungen: Auf neuronaler Ebene unterscheidet unser Gehirn kaum zwischen einer lebhaft vorgestellten Erfahrung und einer tatsächlich erlebten. Nutzen Sie diese Eigenschaft, indem Sie sich regelmäßig vorstellen, wie Sie selbstbewusst und kompetent in herausfordernden Situationen handeln. Wichtig hierbei: Aktivieren Sie alle Sinne – was sehen, hören, fühlen Sie in dieser vorgestellten Situation?
  • Achtsamkeitspraxis: Regelmäßige Meditation oder Achtsamkeitsübungen helfen, eine beobachtende Haltung gegenüber den eigenen Gedanken einzunehmen. Sie lernen, Gedanken als „mentale Ereignisse“ zu sehen, nicht als absolute Wahrheiten. Diese Metakognition – das Denken über das Denken – ist ein mächtiges Werkzeug zur Überwindung des Impostor-Syndroms.

Die Kraft dieser Techniken liegt in ihrer Regelmäßigkeit. Genauso wie ein einzelner Besuch im Fitnessstudio keinen durchtrainierten Körper schafft, wird eine einmalige Anwendung dieser Methoden keine dauerhafte Veränderung bewirken. Aber mit konsequenter Übung – idealerweise täglich für 10–15 Minuten – werden Sie spürbare Veränderungen erleben.

Eine Klientin, eine Künstlerin, die trotz internationaler Anerkennung ständig an ihrem Talent zweifelte, beschrieb ihre Erfahrung nach drei Monaten regelmäßiger Übung so: „Es ist, als hätte sich ein Filter vor meinen Augen verändert. Die alten Zweifel sind noch manchmal da, aber sie haben ihre Macht verloren. Ich kann sie jetzt beobachten, ohne von ihnen mitgerissen zu werden. Und immer öfter spüre ich dieses neue Gefühl: dass ich wirklich gut bin in dem, was ich tue – nicht durch Zufall, sondern weil ich es bin.“

Nahaufnahme eines breit laechelnden Mannes mit Bart, die Augen geschlossen. Helles, unscharfes Hintergrund. Symbolisiert Erfolg und die Abwesenheit von Impostor-Gefuehlen.

Zusammenfassung: Sie sind kein Hochstapler – Ihr Potenzial ist echt!

Das Impostor-Syndrom kann wie eine schwere Decke auf Ihren Schultern liegen, aber es muss nicht Ihr Leben bestimmen. Es ist wie ein Brillenglas, durch das Sie die Welt und sich selbst betrachten – ein Glas, das Sie austauschen können gegen eines, das klarer und wohlwollender ist.

In meiner langjährigen therapeutischen Arbeit habe ich immer wieder gesehen, wie Menschen, die unter massiven Selbstzweifeln litten, zu einem authentischen Selbstvertrauen fanden. Nicht zu Überheblichkeit oder Selbstüberschätzung, sondern zu einer realistischen, gesunden Selbsteinschätzung, die ihre wahren Fähigkeiten würdigt.

Ich möchte Ihnen noch fünf hilfreiche Gedanken mit auf den Weg geben:

  1. Sie sind in guter Gesellschaft: Ihre Selbstzweifel sind kein Zeichen von Schwäche oder Unfähigkeit, sondern ein Phänomen, das viele erfolgreiche Menschen betrifft – von Oscar-Preisträgern bis hin zu berühmten Wissenschaftlern und Führungskräften.
  2. Ihre Erfolge sind keine Täuschung: Die Ausbildungen, die Sie abgeschlossen haben, die Projekte, die Sie gemeistert haben, die Menschen, denen Sie geholfen haben – das alles ist real und ein Ausdruck Ihrer Fähigkeiten, nicht von Glück oder Täuschung.
  3. Ihr Gehirn ist formbar: Die neuronalen Muster, die zu Selbstzweifeln führen, haben sich über Jahre gebildet – und können aktiv verändert werden. Unser Gehirn behält seine Plastizität ein Leben lang. Es ist wie ein Garten, in dem wir entscheiden können, welche Pflanzen wir pflegen und welche wir zurückschneiden möchten.
  4. Der innere Kritiker kann zum Verbündeten werden: Die Stimme, die Sie heute noch heimsucht, kann zu einer konstruktiven Begleiterin werden, die Sie zu Wachstum inspiriert, statt Sie zu lähmen.
  5. Sie können selbst die Veränderung einleiten: Mit den in diesem Artikel beschriebenen Methoden haben Sie praktische Werkzeuge an der Hand, um heute noch den ersten Schritt zu tun.

Ein weiter Gedanke, den ich meinen Klienten oft mitgebe: Stellen Sie sich vor, wie Sie in einem Jahr sein könnten, wenn Sie ab heute jeden Tag ein kleines Stückchen mehr an Ihre Fähigkeiten glauben würden. Welche Möglichkeiten würden sich eröffnen? Welche Projekte würden Sie anpacken? Welche innere Ruhe könnten Sie gewinnen?

Ich ermutige Sie, heute den ersten Schritt zu tun: Erkennen Sie Ihre Selbstzweifel an, aber glauben Sie ihnen nicht alles. Nehmen Sie sie wahr wie Wolken am Himmel – sie ziehen vorüber, und dahinter bleibt das klare Blau Ihres wahren Potenzials.

Ich bin überzeugt: Sie sind viel kompetenter, fähiger und wertvoller, als Sie glauben. Es ist Zeit, dass Sie es auch selbst erkennen. Denn erst wenn Sie Ihr eigenes Licht nicht mehr verstecken, können Sie wirklich strahlen und anderen den Weg erhellen.

Disclaimer / Haftungsausschluss

Dieser Artikel soll Sie umfassend informieren und Ihnen neue Perspektiven eröffnen. Er ergänzt, aber ersetzt nicht die individuelle Diagnose oder Behandlung durch medizinisches Fachpersonal. Bei gesundheitlichen Fragen: Holen Sie sich professionelle Hilfe – und nutzen Sie unsere Tipps als kraftvolle Unterstützung.

    • McElwee, R., Yurak, T. (2012). The Phenomenology Of The Impostor Phenomenon. Individual Differences Research. Band 8, Nr. 3, S. 184–197.
    • Bernhardt, K. (2017). Panikattacken und andere Angststörungen loswerden: Wie die Hirnforschung hilft, Angst und Panik für immer zu besiegen. 22. Auflage. Ariston Verlag, München.
    • Bravata, D., Watts, S., Keefer, A., Madhusudhan, D., Taylor, K., Clark, D., Nelson, R., Cokley, K., Hagg , H. (2020). Prevalence, Predictors, and Treatment of Impostor Syndrome: a Systematic Review. In: Journal of General Internal Medicine. Band 35, Nr. 4, 1., S. 1252–1275.