Ohne Wartezeit auf Therapie

Mein Weg aus der Flugangst: Ein Erfahrungsbericht

Nach über zehn Jahren Flugangst fliege ich heute wieder entspannt um die Welt. Was jahrelang unmöglich schien, hat sich nach nur zwei Therapiesitzungen komplett verändert.

Meine Flugangst begann vor 18 Jahren während eines Fluges mit extremen Turbulenzen. Obwohl objektiv nichts Gefährliches passierte, entwickelte sich eine immer stärkere Angst vor dem Fliegen. Mit der Zeit wurde es so schlimm, dass ich schon Wochen vor einem geplanten Flug Schlafprobleme bekam. Schweißausbrüche, Herzrasen und das Gefühl, keine Luft zu bekommen, wurden zu meinen ständigen Begleitern, sobald ich nur ans Fliegen dachte.

Beruflich und privat schränkte mich das massiv ein. Geschäftsreisen lehnte ich ab oder nahm lange Zugfahrten in Kauf. Urlaubsziele wurden nach ihrer Erreichbarkeit mit dem Auto ausgewählt. Meine Partnerin akzeptierte das zwar, aber ich spürte, wie sehr sie sich manchmal Fernreisen wünschte.

1. Versuch: Flugangst-Seminar

Nach Jahren der Vermeidung entschied ich mich für ein professionelles Flugangst-Seminar bei der Lufthansa. An zwei Tagen erfuhren wir alles über Flugphysik, Sicherheitsstandards und die geringe statistische Wahrscheinlichkeit eines Absturzes. Rational konnte ich danach zwar nachvollziehen, wie sicher Fliegen ist – aber emotionale Beruhigung brachte das nicht. Ich lernte: Man kann Angst nicht mit Logik besiegen. Den abschließenden Übungsflug musste ich absagen, weil bereits die Vorstellung davon Panikattacken auslöste.

2. Versuch: Expositionstherapie

Ein Jahr später wagte ich einen zweiten Anlauf. Eine Therapeutin schlug eine Expositionstherapie vor: Ich sollte mich schrittweise meiner Angst stellen. Erst Videos von Flügen anschauen, dann zum Flughafen fahren und Flugzeuge beobachten und schließlich einen echten Flug wagen. Während die ersten Schritte problemlos klappten und ich schon dachte, jetzt packe ich es, war der letzte Termin eine Katastrophe. Kurz vor dem Einsteigen bekam ich die heftigste Panikattacke meines Lebens und brach ab.

3. Versuch: Die Bernhardt-Methode

Ich hatte eigentlich schon aufgegeben, doch dann stieß meine Freundin auf einen Podcast über die Bernhardt-Methode – ein völlig anderer Ansatz, der Angststörungen auf neuronaler Ebene behandelt. Nach etwas Recherche meldete ich mich für zwei Online-Sitzungen bei einer darauf spezialisierten Therapeutin an. Gleich die erste Sitzung verblüffte mich. Anstatt über meine Ängste zu sprechen oder mich damit zu konfrontieren, erklärte mir die Therapeutin, wie mein Gehirn überhaupt Angst produziert. Konkret ging es nicht darum, wovor ich Angst habe, sondern wie ich selbst meine Angst mache. Eine Frage, über die ich bis zu diesem Moment nie nachgedacht hatte. Sie fand schnell heraus, dass meine Flugangst visuell ausgelöst wurde, also dass ich mir in meinem Kopfkino bestimmte Horrorszenarien vorstellte. Doch es war ja immer noch mein Kopf, wer wenn nicht ich könnte für diesen Film bessere Regieanweisungen geben? Dafür brachte sie mir dann zwei zentrale Techniken bei: Die 10-Satz-Methode und die 5-Kanal-Technik.

Die 10-Satz-Methode

Ich sollte zehn positive Sätze notierte, die beschrieben, wie ich mich fühlen würde, wenn Fliegen für mich völlig entspannt wäre. Zum Beispiel:

  • „Ich sitze entspannt im Flugzeug und genieße den Blick aus dem Fenster auf die Wolken.“
  • „Ich freue mich auf das Abenteuer einer Flugreise und die spannenden Erlebnisse am Zielort.“
  • „Während des Starts und der Landung empfinde ich Freude und bin fasziniert von der Technik.“

Wichtig war, alle Sätze positiv zu formulieren, in der Gegenwart zu schreiben und konkrete, lebendige Bilder zu verwenden.

Die 5-Kanal-Technik

Jeden Abend vor dem Einschlafen visualisierte ich einen dieser Sätze intensiv – und zwar unter Einbeziehung aller fünf Sinne:

  • Sehen: Wie sieht die Kabine aus? Wie das Licht durch die Fenster fällt? Die lächelnden Gesichter der Flugbegleiter?
  • Hören: Das gleichmäßige Brummen der Triebwerke, die freundlichen Ansagen, leise Musik über meine Kopfhörer. Wie ist mein neuer, positiver innerer Dialog? Welche Gedanken habe ich, sobald ich mich wirklich auf den Flug oder ein Urlaubsziel freue?
  • Fühlen: Der bequeme Sitz unter mir, die angenehme Temperatur, mein ruhiger Herzschlag und entspannte Atmung.
  • Riechen: Der Duft von frischem Kaffee im Flugzeug, mein Lieblingsparfüm, das meine Freundin neben mir extra für mich aufgetragen hat.
  • Schmecken: Das Getränk, das ich während des Fluges genieße, ein kleiner Snack.

Nach nur drei Wochen regelmäßiger Übung bemerkte ich, wie meine automatischen Angstgedanken seltener wurden. Stattdessen tauchten immer öfter positive Bilder vom Fliegen in meinem Kopf auf.

Angst-Stopp-Techniken für den Notfall

Zusätzlich trainierte ich zwei Notfall-Techniken, falls während eines tatsächlichen Fluges doch Angst aufkommen sollte:

  1. Zoom-Technik: Automatisch auftauchende Angstbilder in meinem Kopfkino schnell schrumpfen lassen, bis sie ganz verschwinden und stattdessen ein neues Bild aufpoppen lassen, wie ich gerade stolz und glücklich den Flieger am Zielort verlasse.
  2. Visuelle Schiebetechnik: Angstauslösende Bilder von der „negativen“ Seite meines Gehirns auf die „positive“ Seite schieben, wo sie sich automatisch veränderten.

Wir stellten bei der Analyse meiner Angst nämlich fest, dass ich hauptsächlich durch innere Bilder – wie plötzliche Turbulenzen oder Abstürze – in Panik geriet. Diese Bilder liefen jedoch, sobald ich mich richtig darauf konzentrierte, eher links in meinem Kopf ab. Ein Umstand, der mir vorher nie aufgefallen war. Verschob ich die Bilder in meinem Kopf auf die rechte Seite, wurden Sie immer blasser und verschwanden schließlich. Als mir klar wurde, dass ich tatsächlich sowas wie einen Schiebeschalter im Kopf hatte, mit dem ich visuell ausgelöste Ängste einfach ausschalten konnte, fühlte ich mich sicher genug, einen ersten kurzen Flug zu wagen.

Der Testflug: Der Moment der Wahrheit

Nach sechs Wochen Übung buchte ich einen Kurzstreckenflug von Frankfurt nach Berlin. Meine Freundin begleitete mich, wusste aber, dass ich diesmal meine neuen Techniken anwenden wollte.

Zu meiner eigenen Überraschung blieb ich am Flughafen entspannt. Keine Schweißausbrüche, kein erhöhter Puls. Als wir ins Flugzeug einstiegen, wartete ich fast auf meine gewohnte Panikreaktion – aber sie kam nicht.

Während des Starts spürte ich kurz ein Anflug von Unruhe. Statt mich abzulenken, nutzte ich die visuelle Schiebetechnik: Noch bevor ich richtig wahrnehmen konnte, welches innere Bild mich auf der linken Seite unruhig machte, schob ich es schon auf die rechte Seite und tatsächlich bleib die Leinwand meines Kopfkinos dort leer. Ich musst laut lachen, als mir klar wurde, wie mächtig dieses kleine Tool in meinem Fall war. Der restliche Flug verlief problemlos. Ich konnte sogar die Aussicht genießen und mit den Flugbegleitern scherzen. Als wir in Berlin landeten, war ich nicht nur erleichtert, sondern regelrecht euphorisch.

Heute: Die Freiheit zurückgewonnen

Das alles ist jetzt gut zwei Jahre her. Seitdem bin ich mehrfach geflogen, auch Langstrecke. Meine Angst ist nicht komplett verschwunden – manchmal gibt es kurze Momente der Anspannung – aber ich habe Werkzeuge, um diese sofort zu bewältigen.

Die Bernhardt-Methode hat mir nicht nur beim Fliegen geholfen. Ich wende die Techniken jetzt auch in anderen stressigen Situationen an. Mein Denken ist dadurch insgesamt positiver geworden.

Am meisten beeindruckt mich, wie schnell die Veränderung eingetreten ist. Nach nur zwei Therapiesitzungen und etwas Eigenarbeit war eine Angst überwunden, die mich sechzehn!!! Jahre lang eingeschränkt hatte. Ich hatte mich fast schon damit abgefunden, nie wieder zu fliegen – und jetzt plane ich mit meiner Partnerin eine Weltreise.

Ich teile meine Geschichte, weil ich anderen Betroffenen Mut machen möchte. Auch wenn Sie, wie ich, schon mehrere erfolglose Therapieversuche hinter sich haben – geben Sie nicht auf. Keine Ahnung, ob die Bernhardt-Methode auch das richtige für Sie ist, aber ein Versuch kann bestimmt nicht schaden. Die Freiheit, die man zurückbekommt, sobald man wieder problemlos fliegen kann, ist nicht zu unterschätzen.

Lars W. (43), Frankfurt am Main