Wie Migräne, Depressionen und Angststörungen zusammenhängen

Wie Migräne, Depressionen und Angststörungen zusammenhängen.

Wer regelmäßig Migräne hat, leidet überdurchschnittlich oft auch unter Ängsten, Depressionen und weiteren psychischen Erkrankungen. Was Sie unternehmen können, um sowohl die Migräne-Attacken als die psychischen Probleme drastisch zu reduzieren, dass klärt dieser Blogartikel vom Institut für moderne Psychotherapie in Berlin.

Verursacht Migräne auf Dauer auch psychische Probleme, oder sind psychische Probleme die Ursache für Migräne-Attacken?

Ein donnergrollendes Gewitter im Schädel, Millionen kleiner Nadelstiche oder ein Vorschlaghammer, der immer wieder gegen die Schläfe prescht: Das ist nur ein kleiner Teil der Beschreibungen, mit denen mir Migräne-Patienten versucht haben, ihr Leiden bildlich zu machen. Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass gehäuft auftretende Migräneattacken eine extreme Belastung für die Betroffenen sind. Zumal Migräne-Patienten auch noch besonders häufig unter Ängsten und Depressionen leiden. Doch diese Erkenntnis ist keineswegs neu.

Schon vor der Jahrtausendwende zeigte die sogenannte Zürich-Kohortenstudie (1978 bis 1999), dass Migränepatienten ein weitaus höheres Risiko besitzen, an Depressionen sowie Angst- und Panikstörungen zu erkranken – nachzulesen im Archiv des Ärzteblatts. Zu dem gleichen Ergebnis kommen auch aktuelle Studien aus China, Spanien und Deutschland. Auf dem Eröffnungssymposium des Zentrums für klinische Neuroplastizität (ZKNP) im Oktober 2019 nahm der renommierte Neurologe Prof. Dr. Andreas Straube, Oberarzt der neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität, Bezug auf diese Studien und reicherte sie mit eigenen Umfrageergebnissen an. Zusammengefasst lässt sich demnach für Migräne-Patienten Folgendes festhalten:

  • 44,3 Prozent leiden zusätzlich unter Ängsten
  • 22,7 Prozent sind von Depressionen betroffen
  • 77 Prozent verspüren innerhalb von 24 Stunden vor zwei von drei Migräneattacken Ängste
  • Je häufiger Migräne auftritt, desto stärker werden Ängste und Depressionen

Mehr zum Thema können Sie auf der Webseite der MigräneLiga nachlesen. Dass Migräne, Depressionen und Ängste in vielen Fällen zusammenhängen, ist also wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen. Die große Frage lautet nun: Was war zuerst da? Sind seelische Leiden nur ein Symptom einer bestehenden Migräneerkrankung? Oder führen vielmehr Ängste und Depressionen selbst zu den heftigen Migränekopfschmerzen?

Die vielleicht etwas überraschende Antwort auf diese Variation des Henne-Ei-Problems lautet: Bei den meisten Patienten trifft beides zu. So auch bei einer Münchener Patientin, die im letzten Dezember zur Behandlung im Institut für moderne Psychotherapie in Berlin war.

Angst, Migräne und die Angst vor Migräne

Eigentlich kam die Patientin nur wegen ihrer Panikattacken zu uns. Im Aufnahmegespräch stellte sich allerdings heraus, dass sie zusätzlich auch unter depressiven Verstimmungen und Migräneattacken litt. Warum das bei ihr so war und warum diese Punkte sich gegenseitig verstärkten, wird leichter nachvollziehbar, wenn man sich die Schilderung ihrer Migräne-Erkrankung mal genauer anschaut. Achten Sie dabei vor allem auf den für Migränepatienten durchaus typischen Gedankenverlauf.

  1. „In einer beruflich sehr stressigen und angstbelasteten Zeit spüre ich oft morgens schon die Vorboten eines heraufziehenden Migräneanfalls. Ich denke mir dann immer: „Ich muss das jetzt durchziehen, ausruhen kann ich mich später.
  2. Natürlich kommt eine Migräneattacke meist zum ungünstigsten Zeitpunkt – und häufig falle ich dadurch einen kompletten Tag aus. Ich frage mich dann oft: „Warum muss das ausgerechnet heute passieren?
  3. Zusätzlich zu den Kopfschmerzen werde ich dann auch noch von Scham und negativen Gedanken geplagt und habe das Gefühl, meine Kollegen und meinen Chef im Stich zu lassen.
  4. Jedes einzelne Mal hoffe ich, bloß nie wieder in eine solche Situation zu geraten und fange insgeheim schon an, die nächste Kopfschmerzattacke zu fürchten. Dazu kommen Gedanken, die mich zusätzlich unter Druck setzen: „Ich will meine Kollegen, meinen Chef und auch mich selbst nie wieder so enttäuschen. Das soll möglichst nie wieder passieren.“
  5. Meine Angst vor einer weiteren Migräne ist aber leider ein starker Trigger (Auslöser), weswegen die Attacken mittlerweile in immer kürzeren Abständen kommen. Wenn ich erneut „nur“ wegen Kopfschmerzen nicht auf der Arbeit erscheine, mache ich mir selbst die schlimmsten Vorwürfe und denke: „Schon wieder Migräne! Meine Kollegen können das bestimmt nicht nachvollziehen. Bestimmt denken sie, ich feiere einfach nur krank.
  6. Meine Versagensängste und die damit verbundene Angst vor der nächsten Attacke nehmen immer weiter zu. Mittlerweile bin ich mir sogar sicher, dass alle auf der Arbeit mich für unzuverlässig halten und ich glaube, dass meine Kopfschmerzen meinen Job inzwischen ernsthaft gefährden.
  7. Ich bin völlig verzweifelt. Ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll. Die Kopfschmerzen kommen einfach immer wieder. Und obwohl ich schon Medikamente einnehme, nehmen die Attacken an Dauer und Stärke immer mehr zu.

Zum Glück ist dieser Bericht unserer Patienten inzwischen Schnee von gestern. Ihr geht es wieder richtig gut und ihre Kollegen waren zum Glück auch viel verständnisvoller, als sie befürchtet hatte. Migräne-Attacken hat Sie ebenfalls nur noch ganz selten und auch längst nicht mehr so stark, wie früher. Das alles wurde möglich, weil wir Ihr helfen konnten, zwei Hauptauslöser ihrer Migräne, nämlich die Ängste und die Depression, aus eigener Kraft und ohne Medikamente zu überwinden.

Den Teufelskreis aus Angst, Depression und Migräne unterbrechen

Wie bei vielen Patienten, so hat auch bei dieser Patientin schon ein einziger stress- und angstbedingter Migräneanfall dazu geführt, dass sie sich unversehens in einem echten Teufelskreis wiederfand. Die zunehmende Angst vor neuen Migräneattacken wirkt bei vielen Betroffenen als Trigger und begünstigt dadurch weitere Attacken. Dabei sind die eigenen Gedanken die unterschätze Triebfeder für diese Ängste und Depressionen.

Die gute Nachricht: Da Ihre Gedanken Ängste auslösen und damit Migräneanfällen Vorschub leisten, können Sie diesen Teufelskreis auch mit Ihren Gedanken wieder durchrechen. Wie das geht, zeige ich Ihnen gleich. Zunächst möchte ich aber noch einmal auf das Thema Medikamente bei Migräne zu sprechen kommen. Wie im letzten Punkt angeklungen, sind diese allzu oft ebenfalls integraler Bestandteil wiederkehrender Migräneattacken.

Medikamente gegen Migräne sind nicht immer eine gute Idee

Schmerzmittel (Analgetika) und spezielle Migränemedikamente, sogenannte Triptane, versprechen schnelle Hilfe bei sich ankündigenden oder akuten Migräneattacken. Vor allem dann, wenn man bestimmte Präparate miteinander kombiniert. So empfiehlt die deutsche Gesellschaft für Neurologie in ihren Therapie-Leitlinien z.B. die Kombination eines Triptans mit einem Schmerzmittel aus der Gruppe der NSAR (wie z.B. Naproxen). Dennoch sollte die Einnahme von Medikamenten gegen Migräne die Ausnahme bleiben und keinesfalls zur Regel werden. Warum? Weil man bei einer häufigen Medikamenteneinnahme schnell in eine Abhängigkeit, und damit geradewegs in den nächsten Migräne-Teufelskreis, hingeraten kann. Das Paradoxe an Schmerzmitteln und Triptanen ist nämlich: Bei einem Übergebrauch verschlimmern Sie die Migräne noch. Die Attacken können dabei sowohl in ihrer Häufigkeit als auch in ihrer Intensität zunehmen. Schlimmstenfalls kann die Migräne chronisch werden.

Wie gefährlich der übermäßige Gebrauch solcher Medikamente sein kann, können Sie auf der Webseite der Schmerzklinik Kiel im Detail nachlesen. Vor allem darf man nicht einfach alles munter miteinander mischen und sollte vor der Einnahme einer Kombination verschiedener Medikamente immer zuerst den Arzt fragen! Bei der gleichzeitigen Einnahme von Triptanen und Antidepressiva aus der SSRI-Gruppe (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) oder der SSNRI-Gruppe (Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) kann es in Folge von Wechselwirkungen sogar zu dem gefürchteten und potenziell lebensbedrohlichen Serotoninsyndrom kommen. Bedenkt man, dass Migräne und Depressionen häufig zusammen auftreten, wiegt diese Gefahr umso schwerer.

Ein weiterer Grund, warum ich mich so vehement für eine Depressions-Therapie ohne Medikamente einsetze. Selbst das eigentlich so harmlos wirkende und rein pflanzliche Johanniskraut ist in seiner Serotonin-Wirkung nicht zu unterschätzen und sollte deshalb ebenfalls nie mit Triptanen kombiniert werden!

Keine Angst, keine Migräne: So unterbrechen Sie den Teufelskreis

Ganz egal, ob Sie bereits vor der ersten Migräneattacke mit Ängsten und Depressionen zu kämpfen hatten, oder sich diese erst durch die heftigen Kopfschmerzen entwickelt haben: Schaffen Sie es, Ihre Angst zu überwinden, verringert sich dadurch in aller Regel auch die Häufigkeit und die Intensität von Migräneattacken. In meinem Buch Panikattacken und andere Angststörungen loswerden sowie in meinem Online-Videokurs Leben ohne Angst und Panik fülle ich ganze Kapitel bzw. Episoden damit, Ihnen verschiedene Techniken zur Überwindung Ihrer Ängste beizubringen.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen aber zumindest schon ein kleines Beispiel für eine solche Technik geben.

Mit der auditiven Schiebetechnik Ängste loswerden und Migräneattacken reduzieren

„Oh nein, nicht schon wieder Migräne!“ Kennen Sie so einen Gedanken auch? Dann sind Sie wahrscheinlich ein auditiv veranlagter Mensch. Ihre eigenen inneren Dialoge und Gedanken sind dann häufig nicht nur der Vorläufer, sondern regelrecht der Auslöser für Angst und Panik. Doch mit einem kleinen Trick und ein klein wenig Übung ist es möglich, eine aufkommende Angstattacke binnen Sekunden zu stoppen. Diesen „Trick“ nennt man die auditive Schiebetechnik. Dafür konzentriert man sich einen Moment lang ganz auf seine angstauslösenden inneren Dialoge, sobald diese auftauchen (wie z.B. den eben erwähnten negativen Gedanken: „Oh nein, nicht schon wieder Migräne!“).

Das mag jetzt etwas merkwürdig klingen, aber wenn Sie bewusst darauf achten, hören Sie Ihre innere angstvolle Stimme dann eher links oder eher rechts in Ihrem Kopf? Wenn Sie es schaffen zu bestimmen, ob tendenziell eine Seite überwiegt, und sei der Unterschied zunächst nur minimal, dann versuchen Sie doch mal, die ängstigenden Sätze gedanklich auf die jeweils andere Seite zu verschieben und dort zu hören. Wenn Sie diese Übung sehr konzentriert durchführen, werden Sie einen feinen Unterschied bemerken. Und wenn es Ihnen so geht, wie den meisten, stark auditiven Menschen, dann wird derselbe Satz auf der anderen Kopfseite plötzlich gar nicht mehr zu hören sein oder auf irgendeine Weise falsch oder verzerrt klingen. Womöglich verändern sich sogar die Inhalte der Worte, die wichtigste Veränderung ist jedoch folgende: Die aufkeimende Angst verschwindet schlagartig oder wird zumindest deutlich schwächer. Und es gibt auch noch einen weiteren positiven Effekt. Wem es nämlich gelingt, mit der auditiven Schiebetechnik die Angst vor dem nächsten Kopfschmerzattacke buchstäblich auszuschalten, dessen Migräneanfalle reduzieren sich meist auch merklich und nehmen zudem in der Intensität ab.

Wenn Sie mich also fragen „Was hilft gegen Migräne am besten?“ lautet meine klare Antwort: Ihre eigenen Gedanken. Es ist allerdings gut möglich, dass Sie mit der auditiven Schiebetechnik nicht viel anfangen können. Zum Beispiel weil Sie kein auditiv, sondern ein visuell oder kinästhetisch veranlagter Mensch sind. In dem Fall finden Sie in meinen Büchern und Videokursen etliche Alternativmethoden. Zum Beispiel die Zoom-Technik oder auch eine äußerst effektive Methode, mit der man sein Gedankenkarussell ausschalten kann.

Migräne vorbeugen: sinnvolle Maßnahmen auf einen Blick

Auch wenn es nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine biologisch-genetische Veranlagung für Migräne gibt, so sind dennoch vor allem die Trigger entscheidend, ob diese Veranlagung zum Tragen kommt oder nicht. Wenn es Ihnen gelingt, mit Hilfe unserer neurowissenschaftlich basierten Methoden Ängste und Depressionen loswerden, können Sie auch Ihre Anfälligkeit für Migräneattacken erheblich reduzieren. Zusätzlich gibt es aber auch noch eine Reihe weiterer Maßnahmen, die ebenfalls erwiesenermaßen vorbeugend gegen Migräne wirken:

    • Bewegung: zwei- bis viermal die Woche für mindestens eine halbe Stunde
    • Ausdauersport: etwa Schwimmen, Joggen oder Walken
    • Entspannungsübungen wie z.B. Meditation oder autogenes Training
    • Kühlen Kopf bewahren. Mit diesen 2 Produkten, die wir für Sie auf Amazon herausgesucht haben, haben viele unserer Patienten bereits gute Erfahrungen gemacht: Ein kühlendes Stirnband um den Beginn einer Migräne aufzuhalten und die größere Magic Gel Kühlmaske zur Linderung, falls die Migräne schon im vollen Gang ist. Übrigens: Im Gegensatz zur Empfehlung auf den Beipackzetteln sollten Sie beide Produkte lieber nur den Kühlschrank legen und nicht gleich ins Tiefkühlfach. Die sanftere Kälte lindert den Migräneschmerz meist nachhaltiger.
    • Individuelle Strategien zum Stressabbau: von entspannenden Schaumbädern bis zum Lieblingssong
    • Bewusste Ernährung: Der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel wie z.B. Schokolade, Eis, Käse, Bohnen, Zitrusfrüchte und natürlich auch Alkohol kann Ihre Anfälligkeit für Migräneattacken ebenfalls deutlich reduzieren
  • Geregelte Lebensweise: insbesondere ausreichend Schlaf und eine möglichst stressfreie Tagesstruktur

Wenn Sie es dann mit unserer erprobten Methode noch schaffen, ständiges Grübeln und Angstgedanken effektiv auszuschalten, können Sie Ihr Leben nicht nur deutlich besser genießen, Sie entziehen auch Ihren Migräneattacken eine wesentliche Grundlage. Dass das gar nicht unbedingt kompliziert sein muss, haben Sie vielleicht sogar schon anhand unseres kleinen Tests mit der visuellen Schiebetechnik feststellen können. Fakt ist, egal ob Sie ein auditiver, ein visueller oder ein kinästhetischer Typ sind: Sie sind weder Migräne, noch Ängsten und Depressionen hilflos ausgeliefert, denn es gibt wesentlich mehr Wege, sich davon zu befreien, als Sie vielleicht bislang gedacht haben.

Werfen Sie auch einen Blick auf unseren neuen Videokurs „Endlich angstfrei!“
Folge 1 unserer 52-teiligen Soforthilfe für Angstpatienten finden Sie HIER.

Über den Autor

Klaus Bernhardt leitet zusammen mit seiner Frau Daniela Bernhardt das Institut für moderne Psychotherapie in Berlin.​ Gemeinsam arbeiten sie dort mit Ärzten, Neurowissenschaftlern und psychologischen Psychotherapeuten daran, die Behandlungsdauer von psychischen Erkrankungen deutlich zu verkürzen. Ziel ist es zudem, den Einsatz von Psychopharmaka weitgehend zu vermeiden, da diese häufig zu Nebenwirkungen führen können, die Betroffene zusätzlich belasten.