In einer Welt, die sich immer schneller zu drehen scheint, sind Angststörungen leider zu einer weit verbreiteten und oft übersehenen Herausforderung geworden. Was verbirgt sich hinter diesen stillen Kämpfen im Verborgenen?
Angststörungen sind nämlich mehr als einfach nur gelegentliche Sorgen oder Stress. Sie sind tiefgreifende, anhaltende Zustände, die das tägliche Leben stark beeinträchtigen können. Menschen mit einer Angststörung erleben intensive, übermäßige und anhaltende Sorgen und Ängste in Bezug auf eigentlich ganz alltägliche Situationen. Die dabei auftretenden Gefühle erscheinen den Betroffenen nur schwer kontrollierbar und stehen in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung oder Gefahr.
Ein weiteres belastendes Merkmal ist die Diskrepanz zwischen der Eigenwahrnehmung der Betroffenen und der Außenwahrnehmung ihrer Situation. Während sich die Betroffenen in ihren Ängsten gefangen fühlen und die Bedrohung als übermächtig empfinden, wirken sie auf Außenstehende oft übermäßig besorgt oder irrational. Diese Kluft kann dazu führen, dass sich Betroffene missverstanden und isoliert fühlen, da Freunde und Familie die Intensität und Unkontrollierbarkeit der Ängste häufig nicht nachvollziehen können. Dies verstärkt das Gefühl der Hilflosigkeit und verschlimmert die Symptomatik, da die Betroffenen sich nicht ernst genommen fühlen und ihre Sorgen als übertrieben abgetan werden.
Die Diagnose einer Angststörung erfordert daher eine sorgfältige und einfühlsame Herangehensweise, die sowohl die subjektive Erfahrung der Betroffenen als auch die objektiven Kriterien berücksichtigt.
Wie weiß man, ob man eine Angststörung hat?
Bevor eine Diagnose gestellt werden kann, müssen die Symptome erkannt werden. Typische Anzeichen einer Angststörung umfassen:
- Anhaltende und übermäßige Sorgen
- Ruhelosigkeit oder Nervosität
- Müdigkeit
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Reizbarkeit
- Muskelverspannungen
- Schlafprobleme
- Bluthochdruck
Natürlich können die Symptome individuell variieren und unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Nicht jeder Betroffene erlebt alle Symptome, und die Intensität ist ohnehin sehr subjektiv.
Selbsttest für Angststörungen
Die Frage, ob man eine Angststörung hat, kann schwierig zu beantworten sein, besonders weil Angst ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Lebens ist. Es gibt jedoch einige Anhaltspunkte, die darauf hindeuten können, dass die Angst über das normale Maß hinausgeht. Fragen Sie sich selbst:
- Überwältigen mich Sorgen und beeinflussen meinen Alltag?
- Fühle ich mich oft ruhelos oder nervös, ohne einen klaren Grund?
- Haben meine Ängste einen negativen Einfluss auf meine Arbeit, meine Beziehungen oder meine Freizeit?
- Erlebe ich körperliche Symptome wie Herzrasen, Schwitzen oder Zittern in stressfreien Situationen?
- Vermeide ich bestimmte Orte oder Aktivitäten aus Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte?
- Halten meine Sorgen länger als sechs Monate an, auch wenn es keinen direkten Auslöser gibt?
- Fühle ich mich von meinen Ängsten eingeschränkt und unfähig, normale tägliche Aufgaben zu bewältigen?
Wenn Sie mehrere dieser Fragen mit „Ja“ beantworten, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass eine Angststörung vorliegt. Es ist natürlich ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um eine genaue Diagnose zu erhalten und geeignete Behandlungsmöglichkeiten zu besprechen.
Kann ein Hausarzt eine Angststörung diagnostizieren?
Die Diagnose einer Angststörung beginnt oft mit einem Besuch beim Hausarzt. Dieser führt eine erste Beurteilung durch und kann den Patienten an einen Spezialisten überweisen. Zu den Fachleuten, die eine Rolle bei der Diagnose spielen, gehören Psychiater, Psychologen und Therapeuten.
Wie wird eine Angststörung diagnostiziert?
Ein wesentliches Instrument bei der Diagnose von Angststörungen sind klinische Interviews. Diese Gespräche ermöglichen es dem Therapeuten, die Symptome des Patienten detailliert zu erfassen. Ergänzend dazu werden häufig standardisierte Fragebögen verwendet, wie etwa die Hamilton-Angst-Skala (HAM-A) oder das Beck-Angst-Inventar (BAI). Diese Fragebögen beinhalten spezifische Fragen, die dabei helfen sollen, das Ausmaß und die Art der Angst genauer zu beurteilen.
Die Hamilton-Angst-Skala (HAM-A)
Die Hamilton-Angst-Skala (HAM-A) wurde 1959 entwickelt und umfasst 14 Fragen, die verschiedene Angst-Symptome abdecken.
Die 14 Fragen der HAM-A:
- Ängstliche Stimmung: Fühlen Sie sich nervös oder angespannt?
- Anspannung: Sind Sie oft gereizt oder zittern Sie?
- Ängste: Machen Sie sich Sorgen über die Zukunft oder haben Sie Angst vor bestimmten Situationen?
- Schlafstörungen: Haben Sie Schwierigkeiten beim Schlafen?
- Kognitive Symptome: Haben Sie Konzentrationsprobleme?
- Depressive Stimmung: Fühlen Sie sich oft traurig oder hoffnungslos?
- Somatische sensorische Symptome: Haben Sie körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen?
- Somatische muskuloskelettale Symptome: Haben Sie Muskelverspannungen oder zittern Sie?
- Kardiovaskuläre Symptome: Haben Sie Herzklopfen oder Brustschmerzen?
- Respiratorische Symptome: Haben Sie Atembeschwerden oder sind Sie kurzatmig?
- Gastrointestinale Symptome: Haben Sie Magenbeschwerden oder Durchfall?
- Genitourinäre Symptome: Müssen Sie häufig zur Toilette oder haben Sie sexuelle Probleme?
- Autonome Symptome: Haben Sie Mundtrockenheit, schwitzen Sie oft oder ist Ihnen schwindelig?
- Verhalten bei Befragung: Wie verhalten Sie sich während des Gesprächs, z.B. unruhig oder zittrig?
Anwendung der Hamilton-Angst-Skala (HAM-A)
Ein erfahrener Kliniker führt die HAM-A durch, indem er den Patienten zu den letzten Tagen oder Wochen befragt. Jede Frage wird auf einer Skala von 0 (keine Symptome) bis 4 (schwere Symptome) bewertet. Die Gesamtpunktzahl kann zwischen 0 und 56 liegen. Höhere Werte bedeuten stärkere Angst.
Das Beck-Angst-Inventar (BAI)
Das Beck-Angst-Inventar (BAI) ist ein Fragebogen, der in den späten 1980er Jahren entwickelt wurde. Der BAI-Fragebogen besteht aus 21 Fragen, die sich auf verschiedene körperliche und psychische Angstsymptome beziehen.
Die 21 Fragen des BAI umfassen:
- Taubheitsgefühl oder Kribbeln
- Hitzewallungen
- Schwächegefühl oder Benommenheit
- Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz
- Unsicherheit oder Schwäche
- Angst, die Kontrolle zu verlieren
- Atemnot
- Angst vor dem Sterben
- Angstgefühle
- Schwindelgefühl oder Benommenheit
- Unfähigkeit zu entspannen
- Zittern
- Nervosität
- Gefühl von Erstickung
- Hitzewallungen oder Schüttelfrost
- Schwitzen (nicht durch Hitze verursacht)
- Druck auf der Brust
- Übelkeit oder Magenbeschwerden
- Gefühl von Unwirklichkeit oder Losgelöstheit von der Umwelt
- Angst vor Kontrollverlust
- Schreckhaftigkeit
Die Anwendung des Beck-Angst-Inventar (BAI)
Die Patienten bewerten, wie sehr sie in den letzten sieben Tagen unter jedem Symptom gelitten haben, auf einer Skala von 0 (überhaupt nicht) bis 3 (stark). Die Gesamtpunktzahl kann zwischen 0 und 63 liegen. Höhere Werte deuten auf eine stärkere Ausprägung der Angst hin.
Körperliche Untersuchungen und Ausschlussverfahren bei Angststörungen
Nicht immer haben die Symptome psychische Ursachen. Manchmal können körperliche Beschwerden den Symptomen einer Angststörung sehr ähnlich sein. Daher ist es wichtig, körperliche Ursachen auszuschließen. Dies kann durch Bluttests, Herzuntersuchungen und andere diagnostische Verfahren geschehen. Eine gründliche körperliche Untersuchung stellt sicher, dass die Symptome nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen sind. Ebenfalls ausschließen sollte man, dass die auftretenden Symptome von Medikamenten ausgelöst wurden. Die falsche Dosierung von Schilddrüsenmedikamenten kann zum Beispiel Angstattacken auslösen oder zu Depressionen führen.
Differenzialdiagnose bei Angststörungen
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Differenzialdiagnose. Hierbei wird geprüft, ob die Symptome möglicherweise auf andere psychische Störungen zurückzuführen sind, wie Depressionen, Zwangsstörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS).
Merkmale | Angststörungen | Depressionen | Zwangsstörungen (OCD) | Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) |
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Definition | Übermäßige und andauernde Angst und Sorge | Anhaltende Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit | Wiederkehrende, unerwünschte Gedanken (Zwangsgedanken) und Verhaltensweisen (Zwänge) | Intensive Angst und Stress nach einem traumatischen Ereignis |
Hauptsymptome | Panikattacken, Herzklopfen, Schwitzen, Zittern | Niedergeschlagenheit, Müdigkeit, Schlafprobleme | Zwangsgedanken, wiederholte Verhaltensrituale | Flashbacks, Albträume, emotionale Taubheit |
Häufige Begleitsymptome | Schlafstörungen, Reizbarkeit, Muskelverspannungen | Konzentrationsprobleme, Schuldgefühle | Angst, Vermeidung von Auslösern | Gesteigerte Wachsamkeit, Vermeidungsverhalten, Reizbarkeit |
Angststörungen: Die Bedeutung einer genauen Diagnose
Eine genaue Diagnose ist entscheidend, um die richtige Behandlung zu finden. Ohne eine klare Diagnose können Angststörungen unbehandelt bleiben oder falsch behandelt werden, was zu einer Verschlechterung der Symptome führen kann. Vielleicht haben Sie ein Roemheld-Syndrom und dadurch ausgelöste Ängste. Dann bräuchten Sie, salopp ausgedrückt, Hilfe für Ihren Bauch und nicht für Ihren Kopf. Ein anderes Beispiel: Wurden die Beschwerden durch eine Medikamenten-Unverträglichkeit ausgelöst, nützt es nicht zum Psychotherapeuten zu gehen oder, noch schlimmer, ein weiteres Medikament, wie Antidepressiva hinzuzufügen.
Leben mit einer Angststörung: Hoffnung und Hilfe
Das Leben mit einer Angststörung kann herausfordernd sein, aber es gibt Hoffnung. Eine ganzheitliche Diagnostik und moderne Therapieansätze können Betroffenen sehr schnell helfen, ihre Symptome zu bewältigen und ein erfülltes Leben zu führen. Jeder Schritt, vom Erkennen der Symptome bis zur genauen Diagnose und Ursachenbekämpfung ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu mehr Lebensqualität und innerem Frieden.
Carmen T.
Münster