Die S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen empfiehlt eine Kombination von Antidepressiva und psychotherapeutischen Methoden, wie beispielsweise der kognitiven Verhaltenstherapie. (Stand Juli 2024)
Es gibt jedoch gleich mehrere ernst zu nehmende Studien1, die darauf hinweisen, dass kognitive Verhaltenstherapie OHNE zusätzlichen Einsatz von Medikamenten deutlich besser sein könnte als die bislang empfohlene Kombination beider Methoden. Vor allem, wenn man nicht nur den kurzfristigen Heilungsverlauf von Angstpatienten im Blick hat, sondern die Betroffenen über einen längeren Zeitraum beobachtet.
Zwar können Antidepressiva zu Beginn einer Behandlung dafür sorgen, dass eine Reduktion der Ängste schneller eintritt, doch der Preis dafür ist hoch. Denn offensichtlich machen es Psychopharmaka den Betroffenen nicht leichter, sondern schwerer, aus einer Therapie zu lernen und die erlernten Strategien auch nach der Therapie beizubehalten.
Antidepressiva schützen nach Depressionen nicht vor Rückfällen
Auch zur Vorbeugung vor erneuten Rückfällen nach einer Depression sind Antidepressiva nicht geeignet. Eine Studie, die bereits 2004 im American Journal of Psychiatry 2 veröffentlicht wurde, zeigte, dass im Zeitraum von sechs Jahren nur 40% aller Teilnehmer einen Rückfall hatten, wenn sie vorbeugend kognitive Verhaltenstherapie in Anspruch genommen hatten. Bei der Vergleichsgruppe, die zur Vorbeugung vor einer erneuten Depression ausschließlich auf Antidepressiva gesetzt hatte, lag die Rückfallquote hingegen bei 90%.
Konkret bedeutet das: Patienten, die ausschließlich mit kognitiver Verhaltenstherapie behandelt werden, fühlen sich nach Abschluss der Therapie besser und haben signifikant weniger Rückfälle als solche, die zusätzlich Antidepressiva eingenommen haben. Die aktuell gültige S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen sorgt also höchstwahrscheinlich dafür, dass Betroffene im Laufe der Jahre eher mehr Angstsymptome entwickeln und es ihnen nach Absetzen der Medikation psychisch sogar schlechter geht als zuvor.
Da die Rückfallquote bei Depressionen sogar bei 90% liegt, wenn vorbeugend weiterhin Antidepressiva eingenommen werden, sollten auch hier die derzeitige Verschreibungspraktik dringend überdacht werden. Immerhin warnt der wissenschaftliche Fachausschuss der Bundesärztekammer3 seine Berufskollegen schon seit 2018 davor, Antidepressiva als Heilmittel anzupreisen. Wörtlich schreibt der Ausschuss:
Wir brauchen innovative neue antidepressive Substanzen, die eine zuverlässige Überlegenheit gegenüber Placebokontrollen zeigen. Bis dahin sollte die geringe Wirksamkeit der Antidepressiva klar benannt und nicht mit anderen vermeintlichen Einflussgrößen verschleiert werden.
Carmen T.
Münster