Placebo- und Nocebo-Effekt - Wie mächtig ist die Psyche wirklich

Placebo- und Nocebo-Effekt: Wie mächtig ist die Psyche wirklich?

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von Klaus Bernhardt

Vom Placebo-Effekt haben sicherlich schon die meisten von Ihnen gehört. In Medikamenten-Studien bekommt die eine Hälfte der Probanden ein echtes Medikament, die andere Hälfte nur harmlose Zuckerpillen, sogenannte Placebos. Das hilft dabei, die tatsächliche Wirksamkeit des neuen Präparats besser einschätzen zu können.  Wenn ein neues Medikament soweit in seiner Entwicklung vorangeschritten ist, dass so eine Doppelblind-Studie durchgeführt werden darf,  sind oft schon mehrere Millionen an Entwicklungskosten ausgegeben worden.

Dennoch scheitern nach wie vor viele neue Medikamente genau an so einem Placebo-Test, weil die wirkstofffreie Zuckerpille dieselben oder manchmal sogar bessere Ergebnisse erzielt, als das teuer entwickelte Medikament. Alleine der Gedanke daran, scheinbar ein neues Präparat einzunehmen, hat also auf den Körper häufig einen genauso starken Effekt, wie ein echter Wirkstoff.

Nocebo-Effekt: Wenn Gedanken krank machen

Weniger bekannt als der Placebo-Effekt ist der sogenannte Nocebo-Effekt. Dieser beruht auf denselben Wirkmechanismen und wird auch als negativer Placebo-Effekt bezeichnet. Es kommt nämlich häufig vor, dass ein Scheinmedikament ohne wirkliche Wirkstoffe auch all die unangenehmen Nebenwirkungen auslöst, die von dem echten Medikament erwartet werden. Die Psyche kann also nicht nur heilen, sie kann auch krank machen.

Vor einigen Jahren hatte der Nocebo-Effekt bereits für einige Schlagzeilen gesorgt, nachdem in einem Fachmagazin für klinische Psychiatrie folgender Fallbericht veröffentlicht wurde: Ein Student wollte sich dadurch das Leben nehmen, dass er einen kompletten Monatsvorrat an Tabletten schluckte, an die er durch eine Medikamenten-Studie gelangt war.

Als er in die Klinik eingeliefert wurde, war sein Zustand kritisch und die Ärzte kämpften um sein Leben. Doch dann stellte sich heraus, dass er, natürlich ohne sein Wissen, in die Placebo-Gruppe der Medikamenten-Studie eingeteilt worden war, und er somit nicht mehr eingenommen hatte, als eine Handvoll harmloser Zuckerpillen. Sobald der Student davon erfuhr, normalisierten sich seine Werte binnen weniger Minuten und er war außer Lebensgefahr. Kaum verwunderlich, denn letztendlich wurden all seine körperlichen Reaktionen einzig und alleine durch den Nocebo-Effekt ausgelöst.

Über den Autor

Klaus Bernhardt leitet zusammen mit seiner Frau Daniela Bernhardt das Institut für moderne Psychotherapie in Berlin.​ Gemeinsam arbeiten sie dort mit Ärzten, Neurowissenschaftlern und psychologischen Psychotherapeuten daran, die Behandlungsdauer von psychischen Erkrankungen deutlich zu verkürzen. Ziel ist es zudem, den Einsatz von Psychopharmaka weitgehend zu vermeiden, da diese häufig zu Nebenwirkungen führen können, die Betroffene zusätzlich belasten.