Nasenspray gegen Depressionen

Nasenspray gegen Depressionen?

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von Klaus Bernhardt

Viele Angstpatienten leiden zusätzlich noch unter Depressionen. Vor allem, wenn eine Angsterkrankung lange Zeit gar nicht, oder schlimmer noch falsch behandelt wird, ist die Gefahr groß, daran zu erkranken. Insofern habe ich mit großer Besorgnis einen Artikel gelesen, der Anfang März im Tagesspiegel erschienen ist. Darin wurde berichtet, dass in den USA ein Nasenspray als Medikament gegen Depressionen zugelassen wurde, dessen Wirkstoff die Partydroge Ketamin ist. Da ich schon des Öfteren mit Patienten zu tun hatte, die nach einem Ketamin-Rausch langfristig mit Ängsten und Panikattacken zu kämpfen hatten, schrillten bei mir sofort sämtliche Alarmglocken.

Deshalb besorgte ich mir den Zulassungsbericht der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA und fand meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Der Pharmakonzern Johnson und Johnson hatte vier Studien für das Nasenspray durchführen lassen, das nun unter dem Handelsnamen „Spravato“ erhältlich ist. Drei dieser vier Studien zeigten jedoch keinen positiven Effekt. Bei der vierten Studie, welche dann der Zulassungsbehörde vorgelegt wurde, war der Effekt so gering, dass er zumindest meiner Meinung nach in keinem Verhältnis zu den möglichen Nebenwirkungen steht.

Zudem musste ordentlich „geschummelt“ werden, um wenigstens diese eine positive Studie noch zustande zu bringen. Als Argument, warum dieses Medikament dringend zugelassen werden sollte, wurde nämlich angeführt, dass es keine vernünftigen Medikamente für Menschen mit schweren Depressionen gibt, die unmittelbar vor einem Suizid stehen. Genau diese „Zielgruppe“ wurde jedoch von den Studien ausgeschlossen!

 

Ja, Sie lesen richtig: Probanden mit Suizidgedanken oder einem versuchten Suizid in den letzten sechs Monaten, duften gar nicht an der Studie teilnehmen. Das ist in etwa so, als würde man ein neues Mittel gegen Neurodermitis nur an Menschen testen, die keinerlei Hautprobleme haben.

Kein Wunder also, dass die Zulassung des Medikaments bereits im Vorfeld für allerlei Kritik sorgte. Aber immerhin ist man in den USA deutlich weiter als in Deutschland, wenn es darum geht, bereits auf der Verpackung vor gefährlichen Nebenwirkungen zu warnen. Auf der Verpackung des besagten Nasenprays steht deshalb auch groß und schwarz umrandet die Warnung, dass das Medikament unter anderem Aufmerksamkeitsstörungen und Selbstmordgedanken auslösen kann. Dennoch kann ich Ihnen jetzt schon garantieren, dass „Spravato“ ein gewaltiger Erfolg werden wird – zumindest in finanzieller Hinsicht – denn eine Monatsdosis soll bis zu 6.000 € kosten, was mehr als das Hundertfache der Herstellungskosten sein dürfte.

Über den Autor

Klaus Bernhardt leitet zusammen mit seiner Frau Daniela Bernhardt das Institut für moderne Psychotherapie in Berlin.​ Gemeinsam arbeiten sie dort mit Ärzten, Neurowissenschaftlern und psychologischen Psychotherapeuten daran, die Behandlungsdauer von psychischen Erkrankungen deutlich zu verkürzen. Ziel ist es zudem, den Einsatz von Psychopharmaka weitgehend zu vermeiden, da diese häufig zu Nebenwirkungen führen können, die Betroffene zusätzlich belasten.