Falsche Fragen können depressive Verstimmungen und sogar Angstzustände hervorrufen

Falsche Fragen können depressive Verstimmungen und sogar Angstzustände hervorrufen

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von Klaus Bernhardt

Menschen, die unter Depressionen oder Ängsten leiden, können oft erstaunlich schnell eine Reduzierung ihrer Probleme erreichen, wenn sie sich angewöhnen, bessere Fragen zu stellen. Denn die Tendenz, schlechte Fragen zu stellen ist nicht nur weit verbreitet, sie blockiert auch privaten und beruflichen Erfolg und macht auf Dauer unglücklich und krank. Doch woran erkannt man falsche Fragen und noch viel wichtiger: Welche Fragen bringen Sie wirklich voran und welche verfestigen Ihr Unglück nur noch mehr? Genau diese „gute“ Frage beantworten wir in diesem Blogartikel.

Die Qualität Ihrer Fragen bestimmt die Schnelligkeit Ihrer Heilung

Egal wo der Schuh gerade drückt –  ob Sie sich scheinbar grundlos traurig sind, ein schlecht bezahlter Job oder ein rücksichtsloser Partner nerven, die zeternde Schiegermutter mit im Haus wohnt oder Ihnen dieser ganze Corona-Irrsinn zu schaffen macht – fast immer gehen seelische Probleme mit Fragen einher, die wir uns so oder ähnlich stellen:

  • Hört das denn nie auf?
  • Warum geht es mir nur so schlecht?
  • Warum passiert das immer nur mir?
  • Was stimmt nicht mit mir?
  • Sind die jetzt alle verrückt geworden?
  • Wo soll das noch hinführen?

Bei all diesen Fragen startet ihr Gehirn eine verzweifelte Suche nach einer Antwort. Doch leider gibt es da einen kleinen Haken: Das menschliche Gehirn funktioniert im Prinzip wie die Google-Suchmaschine. Es beantwortet nur die Fragen, die Sie ihm stellen.

Unser Gehirn funktioniert wie eine Suchmaschine

Wenn Sie zum Beispiel über die Frage nachdenken: „Was stimmt nicht mit mir?“, dann werden Sie nur adäquate Antworten generieren: „Du bist einfach zu ängstlich, du hast depressive Verstimmungen, du bist zu träge um etwas in Deinem Leben zu verändern.“ Durchweg keine Antworten, die Ihr Selbstbewusstsein stärken. „Warum passiert nur mir das immer wieder?“ hat den gleichen Effekt. Es sprudeln viele Antworten aus dem Unterbewusstsein hervor und höchstwahrscheinlich ist eine frustrierender als die andere. Doch wenn Sie stattdessen in Ihre interne Suchmaschine eingeben: „Was kann ich tun, um wieder mehr Spaß am Leben zu haben?“, dann wird Ihr wissendes Hirn auch hierzu Ideen liefern.

Hilfreiche Antworten erhalten Sie nur auf gut formulierte Fragen

Tony Robbins, einer der erfolgreichsten und bestbezahlten Coaches weltweit bringt es auf eine einfache Formel, wenn er sagt: „Erfolgreiche Menschen stellen bessere Fragen – und als Resultat erhalten sie bessere Antworten.“ Doch woran erkannt man bessere Fragen? Ganz einfach, sie liefern Lösungen und führen zum Erkennen von Chancen, anstatt noch mehr Probleme zu finden. Vor allem „Warum“-Fragen sind meist wenig hilfreich, denn Sie führen ausschließlich zu „Weil“-Antworten. Und diese „Weil“- Antworten lösen entweder Angstzustände aus, oder aber sie führen zu depressiven Verstimmungen. Probieren Sie es doch einfach mal aus: „WARUM geht es mir heute so schlecht?“ „WEIL Du zu wenig geschlafen hast, weil Du unglücklich in Deiner Beziehung bist, weil Dein Chef ein Idiot ist, weil, weil, weil, ….. Egal welche „Weil“-Antwort Ihr Gehirn hierauf liefert, die Antwort macht meist schlechte Gefühle. Andere W-Fragen (Wer, Wie, Was, Wen, Welche) führen hingegen oft zu besseren Resultaten. Testen Sie es selbst:

  • Wer kann mir gerade dabei helfen, mich wieder besser zu fühlen?
  • Wie haben es andere geschafft, sich aus so einer Situation zu befreien?
  • Was kann ich jetzt sofort tun, um meine Laune zu verbessern?
  • Wen kenne ich, der mich immer aufheitern kann oder der immer gute Ideen hat?
  • Mit welchen Techniken kann man Angstzustände schnell loswerden?
  • Was hilft am besten bei depressiven Verstimmungen?

Merken Sie, dass diese Fragen sofort einen ganz anderen Blickwinkel ermöglichen? Meist dauert es dann auch gar nicht lang, bis Ihnen erste Lösungen einfallen, die wieder zu mehr Lebensfreude führen. Übrigens kommen die besten Antworten oft mit etwas Verzögerung, scheinbar aus heiterem Himmel, zum Beispiel beim Duschen. Denn Sie haben Ihrem Gehirn eine Aufgabe gestellt und es hört nicht eher auf, nach einer Lösung zu suchen, bis es eine gefunden hat. Und selbst wenn Sie aktuell so ängstlich oder depressiv sind, dass Ihrem Gehirn selbst bei guten Fragen scheinbar keine effektiven Antworten einfallen, gibt es Hilfe. Geben Sie in diesem Fall Ihre guten Fragen doch einfach bei Google ein. Sie werden erstaunt sein, was Sie dann alles angezeigt bekommen. Machen Sie sich bewusst, dass viele depressive Verstimmungen und sogar Angststörungen nachweislich nur dadurch ausgelöst werden, dass das Gehirn auch bei schlechten Fragen nicht aufhört, nach Antworten zu suchen. Doch während gute Fragen zu Lösungen und Chancen führen, liefern schlechte Fragen nur Antworten, die noch depressiver oder noch ängstlicher machen.

Verändern Sie ganz bewusst Ihre Art, Fragen zu stellen

Worauf haben Sie sich in der letzten Zeit am meisten konzentriert? Haben Sie schon eine Idee, eine Frage, auf die Sie heute Ihre innere Suchmaschine bewusst ansetzen wollen? Wie wäre es mit einer von diesen:

  • Wie wäre mein Leben, wenn es ideal wäre?
  • Was ist mein allerwichtigstes Ziel?
  • Was könnte ich heute tun, um diesem Ziel einen kleinen Schritt näher zu kommen?
  • Welche Fähigkeit könnte ich mir aneignen, um mein Leben grundlegend zu verbessern?
  • Gibt es Bücher oder Videokurse, die mir weiterhelfen?

Eine einzige gute Frage kann Sie aus dem Tief herausführen

Einer meiner Patienten, der auf Grund beruflicher Unstimmigkeiten jahrelang unter Ängsten und Depressionen litt, erzählte mir vor einiger Zeit, dass es eine einzige „gute“ Frage war, die letztlich dafür gesorgt hatte, dass er sein Stimmungstief überwinden konnte. Als ich ihn fragte, welche Frage das war, sagte er: „Wie Sie ja wissen, bin ich Mathelehrer. Probleme, die mit Zahlen zu tun haben, konnte ich immer gut lösen. Also versuchte ich mein Problem mathematisch zu beschreiben. Ich habe mir vorgestellt, mein Ziel zu erreichen (also eine neue Arbeitsstelle zu finden), wäre gleichzusetzen mit 100 % Erfolg. Wenn ich mich nur darauf konzentriere, bei der Jobsuche jeden Tag 1 % vorwärts zu kommen, dann hätte ich in 100 Tagen mein Ziel erreicht. So wurde der vermeintlich große Problemberg, den ich seit Jahren vergeblich zu überwinden versuchte, in 100 kleine Schritte unterteilt und ich stellte mir täglich nur noch die Frage: Was kann ich heute tun, um wieder 1% voranzukommen?  Vorher hatte ich mich immer mit anderen Fragen gequält: Warum geht es mir so schlecht? Warum bin ich nur so einer Problem-Schule gelandet. Wieso unterstützt unser Schulleiter mich nicht mehr? Inzwischen frage ich mich nur noch: „Was kann ich heute schon tun, um meine Situation noch mehr zu verbessern?“ Und als Ergebnis geht es mir heute besser denn je.

Schwere Zeiten machen Sie stark

Und, hat der Mathelehrer einen neuen Job gefunden? Ja! Und er hat dafür noch nicht einmal 100 Tage benötigt. Auch wenn Sie es wahrscheinlich kaum glauben können – seine lange Krankschreibung war für den neuen Chef kein Hindernis. Im Gegenteil. Dieser hatte nämlich selbst einem schweren Burnout hinter sich. Deshalb wusste er, dass diese Zeiten zwar sehr hart sind, aber einen Menschen auch stark machen. Er erklärte seinem verdutzten Bewerber: „Wer sich aus einem solchen Tief befreit hat, dessen Charakter ist für immer positiv verändert. So einen Menschen kann ich hier gut brauchen!“

Praxistipp: Führen Sie ein Fragen-Tagebuch

Eine schöne Übung dazu ist übrigens ein Fragen-Tagebuch: Sammeln Sie jeden Tag mindestens drei gute Fragen. Und formulieren Sie diese bitte ohne Negation, so wie Sie das vielleicht auch schon von der 10-Satz-Methode kennen, die ich in meinem Spiegelbestseller „Panikattacken und andere Angststörungen loswerden“ beschrieben habe. Ohne Negation bedeutet, dass Sie auf Worte wie kein, keine oder ohne verzichten und stattdessen ein positives Ziel formulieren. Hierzu ein Beispiel. Schreiben Sie statt: „Was kann ich tun, um ein Leben ohne Angstzustände zu führen?“ Besser: „Was kann ich tun, um wieder frei und mutig durchs Leben zu gehen?“ Ob Sie es glauben oder nicht, alleine die Formulierung ohne Negation sorgt bereits dafür, dass Ihr Unterbewusstsein wesentlich effizienter nach Lösungen Ausschau halten kann, als das mit Negationen der Fall wäre. Bevor Sie das nächste Mal mit schlechten Gefühlen in den Tag starten, schnappen Sie sich lieber schon morgens Ihr „Tagebuch der guten Fragen“ und lesen Sie einfach nur alle Fragen nacheinander durch. Dann landen Sie gar nicht erst wieder in alten, ungesunden Denkmustern, weil Sie Ihre Neuronen ja sofort auf eine positive Lösungssuche schicken.

Werfen Sie auch einen Blick auf unseren neuen Videokurs „Endlich angstfrei!“ Folge 1 unserer 52-teiligen Soforthilfe für Angstpatienten finden Sie HIER.

Über den Autor

Klaus Bernhardt leitet zusammen mit seiner Frau Daniela Bernhardt das Institut für moderne Psychotherapie in Berlin.​ Gemeinsam arbeiten sie dort mit Ärzten, Neurowissenschaftlern und psychologischen Psychotherapeuten daran, die Behandlungsdauer von psychischen Erkrankungen deutlich zu verkürzen. Ziel ist es zudem, den Einsatz von Psychopharmaka weitgehend zu vermeiden, da diese häufig zu Nebenwirkungen führen können, die Betroffene zusätzlich belasten.